Erstellt am: 24. 10. 2010 - 16:00 Uhr
Antony And The Johnsons: Swanlights
Antony Hegarty feiert auf seiner neuen Platte Swanlights einen großen Abschied. Alle Wunden sind verheilt, alles vergeben. Antony ist mit der irdischen unvollkommenen Welt versöhnt und verabschiedet sich mit einer letzten großen Geste von seinen FreundInnen. Würde Swanlights nicht von so einem zuversichtlichen Geist beseelt sein, könnte man sich Sorgen machen. Antony sollte mit diesem Album seine musikalische Karriere beenden und in den Himmel fahren. Aber wie kam es dazu?
My face and your face tenderly renewed

Antony Hegarty
1998 veröffentlicht David Tibet von der Industrial-Psychedelic-Band Current 93 das Debütalbum von Antony And The Johnsons auf seinem kleinen Avantgarde-Pop-Label Durtro. Eine Veröffentlichung, die von der Szene zwar augenblicklich gefeiert und begeistert aufgenommen wird, aber aufgrund der extremen Nische außerhalb des Zirkels kaum wahrgenommen wird. Und wäre Lou Reed 2001 nicht die damals neue Antony-EP I Fell In Love With A Dead Boy in die Hände gefallen, Antonys Kunst würde wohl noch immer ausschließlich auf den Ipods okkulter Neofolker gefangen sein.
Lou Reed rekrutiert Antony für sein Projekt Raven und stellt das englische Gesangswunder im Rahmen einer Tour der ganzen Welt vor. Die Welt ist aus dem Häuschen und macht Antonys zweites Album I Am A Bird Now aus dem Jahr 2005 zu einem Bestseller.

Antony Hegarty
Von da an steht Antony nicht mehr still. Antony singt zahlreiche Duette wie zum Beispiel mit Königin Björk auf deren Platte Volta. Antony veröffentlicht ein weiteres Album und weitere EPs. Antony erlaubt sich einen lustigen Zuckerwatteausflug mit dem House-Pop-Projekt Hercules And Love Affair. Gleichzeitig pflegt er seinen musikalischen Hintergrund und unterstützt weiter die Subkulturwelt rund um Current 93 mit Kollaborationen und Promotion. Antony tourt die Welt und taucht auf einer elendslangen Reihe von Soundtracks auf. 2009 spielt Antony ein nervöses Set beim Donaufestival in Krems. Antony hat in fünf Jahren nicht nur eine Weltkarriere geschafft, er hat in vielerlei Hinsicht eine Reihe von Metamorphosen auszuhalten gehabt.
Thank You for Your Love
Wenn die neue Antony-Musik erschöpft und ratlos gewesen wäre, hätte das die Welt verstanden. Aber Antony wandelt die Welle der Erschöpfung in eine erhabene Woge des Auflösens um. Alle Antony-Werke waren bisher von Transformationen bestimmt. Die Frage nach Identität stellt sich nun aber nicht mehr. Damit stellt Antony zwar den bisherigen Motor seines Schaffens ab, aber das neue - wohl mühsam erarbeitete Selbstverständnis und auch der leise Hauch der Abgeklärtheit stärkt und kräftigt Antonys Kunst. Der souveräne Kampf ist zu einem melancholischen Sieg geworden. Illustriert mit beinahe schon christlichen Bildern.

Antony Hegarty
Musikalisch artikuliert Antony sich in spartanischen Barockbildern. Große Arrangements, die aber vor allem durch die Pausen, durch das Nichtspielen auffallen. Dann steht Antony auf einmal so tief im Jazz wie noch nie. Leider kommt dann gegen Ende der Platte dann doch noch Björk vorbei und stiftet Antony wieder zu einem Duett an, auf dem sich beide vorsingen was sie an Oktaven alles draufhaben. Und obwohl ich auch Björk schätze, trübt dieses eine Lied, dieser eine unnötige Beweis der eigenen Großartigkeit, das runde Gesamtbild dieser meisterhaften Platte.
Aber vielleicht ist dieser eine Klecks von früher aus der Zeit des Krieges auch notwendig um die Größe der neuen Antony-Musik erkennen zu können.