Erstellt am: 20. 10. 2010 - 18:15 Uhr
A Man Called Smith
"It´s too late to start for destinations not of the heart."
Diesen Ausspruch des walisischen Dichters Ronald Stuart Thomas stellt Paul Smith seinem Album voran. R.S. Thomas ist hochbetagt vor zehn Jahren gestorben. Seinen Gedanken griff Paul Smith auf und setzt endlich um, womit er schon seit ein paar Jahren geliebäugelt hat - ein Solo-Album. Eine "destination of the heart", für die es gewiss nie zu spät sein würde: "Margins" nennt Paul Smith sie, "Ränder".
Bei Maximo Park ist er der energiegeladene Indierock-Frontmann, ein live wire, der sich nicht an eine Gitarre klammert, sondern in diversen Körperverrenkungen übt. Bowler Hat am Kopf, die Hand aufs Herz gelegt, eins, zwei, drei, ein Sprung in die Luft. Frontmänner ohne Musikinstrument in den Händen müssen einfallsreich sein, was Mimik und Bewegung on stage angeht.
Bei Maximo Park ist Paul Smith der extrovertierte Paul Smith, auf seinem Solo-Album lernen wir nun den introvertierten Paul Smith kennen, den, der sich auch abseits der Bühne zeigte, etwa bei Interviews, wo Paul Smith stets der klassisch höfliche Brite ist, immer freundlich, aber auch die Distanz wahrend.
Natural And Intimate
Sieben Jahre nach der Gründung von Maximo Park, samt den drei Longplayern seither - "A Certain Trigger", "Our Earthly Pleasures" und dem letztes Jahr erschienen "Quicken The Heart" - hat sich Paul Smith zuhause auf einen Stuhl gesetzt, eine Gitarre zur Hand genommen und ein paar Solo-Songs komponiert. Er singt sie in dieser herrlich leisen Stimme, die er so bei Maximo Park nicht wirklich einsetzt.
Als Solo-Album will er "Margins" aber dennoch nicht verstanden wissen: "It's not like George Michael of Wham! going solo. I prefer to call it my own thing rather than a solo album", sagt Paul Smith im für ihn typischen wunderschönen Geordie, jenem Akzent seiner nordostenglischen Heimat, die er bis heute nicht aufgegeben hat, etwa um nach London zu ziehen.
Billingham in der Grafschaft Durham ist seine hometown, und Billingham Records nennt Paul Smith auch sein Plattenlabel, auf dem "Margins" erscheint. Ein Solo-Album in dem Sinn ist "Margins" auch deswegen nicht, weil Paul Smith zwar die meisten der Songs allein und nur mit einer Gitarre begonnen hat, dann aber ein paar seiner Homeboys dazugestoßen sind: Andy Hodson von der Folktronica Band Matinee Orchestra und den Warm Digits, sowie David Brewis von der Band Field Music. Letzterer spielt den Bass, während ersterer als Drummer und insgesamt als Producer fungiert.

Maximopark
Mit Maximo Park hat Paul Smith bisher einiges von der Welt gesehen, und das hört man auch in "Margins": Textlich sind die Songs sozusagen all over the place - von New York City über den schicken Londoner Bohemien-Stadtteil Primrose Hill bis zur windumwehten nordenglischen Gegend, aus der Paul Smith kommt: "Maybe we could go out to the lakes, avoiding the North Atlantic drift", heißt es gleich im ersten Song am Album, "North Atlantic Drift".
In "Dare Not Dive", das am stärksten von allen Stücken an Maximo Park erinnert, singt Paul Smith von Arthur Russell, dem US-Avantgarde-Cellisten/Komponisten/Dancemusic-Künstler ("A Little Lost", "Let´s Go Swimming"), der 1992 im Alter von 40 Jahren an den Folgen einer AIDS-Erkrankung gestorben und der einer der absoluten Lieblings-Musiker von Paul Smith ist.
"This Heat" wieder erinnert ein wenig an den schottischen Folk-Musiker Bert Jansch in jungen Jahren ("Needle Of Death"). "The Tingles", ein leicht noisiger Rocker unter den Balladen, hat etwas berührend Verstörendes an sich, nicht nur wegen der Schlusszeile "I couldn´t touch you cause your body wasn´t there. I couldn´t reach you, now you are a major concern."
Überhaupt geht die poetische Innenschau des Maximo-Park-Sängers gegen Ende des Albums in immer düsterere Gefielde: Im von der Band Field Music inspirierten "Pinball" singt Paul Smith, während die Geigen jammern, "free me from self-expression, apprehension of the senses, the illusion of conquest, please make an exception.Categorising and simplifying, stultifying and agonising".
Eine ganz schöne Tour-de-Force, textlich und musikalisch, dabei hat Paul Smith zwei Lieder davor, in "Our Lady Of Lourdes", noch den Griff in den Weihwasserkessel getan ("But the water has no effect") und dann aber doch die Messe besucht ("Who doesn't need the solace?").
I Drew You Sleeping

Smith
Die vielleicht schönsten Songs am Album: das zarte und unschuldige "I Drew You Sleeping", das eine herzzerreißende Liebeserklärung ist, bei der sich Paul Smith irgendwann im Song auf die Knie zu werfen scheint, und das atmosphärische, ebenfalls subtil sinnliche "Alone, I Would´ve Dropped", das, wie die meisten der Songs von "Margins", ein Gegenüber hat, das Paul Smith anspricht: "If I was alone, I would have dropped. I think it was your presence that pulled me up."
Ist Paul Smith von Maximo Park zuletzt etwa das geworden, was man "erwachsen" nennt? Ja, sagt er, ohne eine Sekunde zu zögern:
"I think I have grown up a little bit over the last three years sort of. You know, the first couple of years of being in Maximo Park it´s like being taken back to being a child, you know, you get driven around everywhere, there´s always somebody to clean up your mess if you make a mess - not that I´m that guy. There´s alcohol there every night, it´s all free and people like your band. It´s a different world and it swallows some people up and they become children forever. (Laughing) I have no desire to be like that."