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Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

12. 10. 2010 - 17:20

Leben mit der Angst vor der Abschiebung

Die 18-jährige HAK-Schülerin Nana soll abgeschoben werden. Im Moment lebt sie mit ihrer Familie im Freunde-Schützen-Haus in Wien.

Jus-Studium oder Abschiebung? Seit zwei Jahren leben die 18-jährige Nana und ihre Familie mit der ständigen Möglichkeit, abgeschoben zu werden. Jetzt leben sie im Wiener Freunde-Schützen-Haus, einer neuen Betreuungseinrichtung für Familien, die kurz vor ihrer Abschiebung stehen.

Claus Pirschner hat Nana dort zu einem Interview getroffen.

Lila Ansteckmascherln - die haben Kinder und Jugendliche im Freunde-Schützen-Haus in Wien gebastelt. Das ist das Haus, in dem auch die Familie Komani mit den achtjährigen Zwillingen Schutz gesucht hat, bevor sie und der Vater letzte Woche von der Polizei verhaftet und dann in den Kosovo abgeschoben wurden.

Die HausbewohnerInnen und ihre FreundInnen rufen dazu auf, lila Ansteckmascherln zu tragen: Aus Solidarität mit seit Jahren in Österreich integrierten Menschen, die abgeschoben werden sollen.

Magst du dich kurz vorstellen?

Also ich bin die Nana, bin 18 Jahre alt. Ich komme aus Georgien und bin jetzt schon seit acht Jahren in Österreich. Ich gehe hier in die Schule, in die Handelsakademie, und, ja, habe einen Bruder, Mutter, Vater, Familie halt.

Kannst du dich daran erinnern, wie du nach Österreich gekommen bist?

Nicht gut, ich war da noch recht klein.

Wann bist du in dieses Haus hier gekommen?

Das war vor drei Wochen. Vorher hab ich mit der Familie in Wiener Neustadt gewohnt. Wie alle Familien hier stehen wir kurz vor der Abschiebung. Von diesem Verein hier haben wir dann von Freunden gehört. Dann haben wir mit Karin [Klaric, Rechtsberaterin im Freunde-Schützen-Haus, Anm.] gesprochen und sie hat uns sofort aufgenommen und uns eine Wohnung hier gegeben. Und jetzt warten wir mal, was passiert.

Hast du mitbekommen, warum du genau jetzt abgeschoben werden sollst? Du bist mit deiner Familie ja seit acht Jahren hier, hast du gesagt.

Also wir stehen schon seit zwei Jahren vor der Abschiebung. Ich weiß nicht, warum das passiert ist. Wir sind recht gut integriert, wir haben einen Bleiberechtsantrag gestellt und eine Absage bekommen, weil wir eine rechtskräftige Ausweisung haben. Ich habe keine Ahnung, warum wir das bekommen haben. Ich weiß auch nicht... Wir wissen halt nicht, was wir machen sollen und sind mit den Nerven fertig. Wir stehen ja auch so kurz vor der Abschiebung. Als jetzt letztens die Polizei gekommen ist und eine andere Familie ins Kosovo abgeschoben hat, haben wir noch mehr Angest bekommen.

Du gehst hier in die Schule. Was würdest du hier denn gerne weitermachen?

Ich würde ganz gerne Matura machen und dann vielleicht studieren. Vielleicht Scheidungsanwältin werden.

Warum denn ausgerechnet Scheidungsanwältin?

Ich weiß nicht. Auf jeden Fall Anwältin. Mit Asylsachen will ich eigentlich nichts mehr zu tun haben. Ich hab mich halt dafür entschieden. Scheidungsanwältin macht sicher viel Spaß.

Was machen deine Eltern hier?

Die dürfen ja nicht arbeiten. Das heißt, die sind sozusagen den ganzen Tag zuhause. Wir dürfen nicht arbeiten. Wir kriegen auch keine Sozialbeihilfe, aber das wollen wir ja auch nicht. Wir wollen nur eine Arbeitsbewilligung und dass wir sicher hier bleiben können. Sonst wollen wir gar nichts. Wir hängen jetzt seit zirka zwei Jahren in der Luft. Wir wissen nicht, wann wir abgeschoben werden und warten eigentlich jeden Tag darauf.

Du gehst jetzt noch jeden Tag in die Schule?

Ja, ja, ich gehe noch in die Schule. Ich hab ja auch viele Freunde hier, mein Bruder auch. Der ist zwanzig und macht jetzt Matura. Ich weiß nicht, warum das so gekommen ist. Wir können ja unsere Muttersprache gar nicht mehr. Also, wir können sie schon, aber nicht mehr sehr gut. Ich weiß nicht, warum die Politik hier das so entschieden hat. Aber vielleicht, ich weiß nicht... Ich will nichts Schlechtes sagen oder so... ich weiß nicht.