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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

1. 10. 2010 - 19:01

Let it sway!

Das amerikanische Quartett Someone Still Loyes You Boris Yeltsin spielt sich gerade mit ihrem fröhlich sprühendem Album "Let It Sway" durch Österreich.

Vier schwarze Silhouetten stehen vor einem Feuerwerk. Der sprühende Funkenregen in den verschiedensten Farben wirft nur ein schwaches Licht auf die Gesichter von Jonathan, Will, Philip und John. Trotzdem scheint man im Dunkeln ein breites Grinsen, ein fröhliches Lächeln wahrzunehmen. Gund dafür hat das Quartett auf alle Fälle, das sich den aberwitzigen und etwas umständlichen Namen Someone Still Loves You Boris Yeltsin gegeben hat. Schließlich scheinen die vier Jungs nach mittlerwiele zehn Jahren ihrer musikalischen Reise mit dem dritten Werk "Let It Sway" angekommen zu sein.

Sattelfest

Eigentlich unterscheidet sich die Gründungsgeschichte von Someone Still Loves You Boris Yeltsin nicht wesentlich von anderen amerikanischen Vor-, Klein- und Großstadtbands.

Someone Still Loves You Boris Yeltsin Bandfoto

Kathi L. Thomson

Ausgehend von Will Knauer und Philip Dickey und ihren ersten musikalischen Gehversuchen in der Schule, begann die Suche nach einer klanglichen Identität. Geprägt - wie kann es anders sein - vom alles überflutenden Grunge-Sound der 1990er Jahre schrammeln die vier Jungs aus Springfield, Missouri was ihre Gitarren halten. Ihr Hang zu einprägsamen Mitsing-Melodien verhalf dem Debüt "Broom" Mitte der Nullerjahre zu Anerkennung in Indiekreisen, doch so ganz wollte das Bandgefährt nicht in Fahrt kommen. Auch das zweite Album "Pershing", das wie alles bis dato in einer DIY-Methode produziert wurde und immer wieder auslaugenden Tour-Erlebnissen hatten das Gespann knapp bis an die Grenze der Zerbrechlichkeit manövriert.

Der Entschluss, die Produktion aus den Händen zu geben und sich selbst und die Freundschaften damit zu entlasten, verhalft dem Quartett zu der nötigen Frische und in gewisser Weise auch zu einem unangestrengten Sound. Denn schon der Opener "Back In The Saddle" versrpüht mit seinem charmanten Chorgesang Freude und unbekümmerten Spaß am Spiel(en). Er beginnt mit leisen, aber eindringlichen Gitarrenthema, schwankt sogar in richtung eines traditionell anmutenden Trinkliedes und wandelt sich nach drei Minuten zu einer großartigen und rhythmisch gewitzten Indiehymne.

Amerikanischer Produzent und russischer Präsident

Auch die restlichen Songs von "Let It Sway" spielen mit den Referenzen der typischen Neunzigerjahre-Independent-Aufbruchsstimmung, die von eckigen Gitarrenlinien, sich kurz bis in die Höhe des Überschlagens schraubenden Gesangs und rumpelndem Schlagzeug gekennzeichnet war.

Someone Still Loves You Boris Yeltsin "Let It Sway" Albumcover

Someone Still Loves You Boris Yeltsin

Dass die dreizehn Songs von Someone Still Loves You Boris Yeltsin trotzdem eigenständig, spannend und erfrischend bleiben, ist der Arbeit von Produzent Chris Walla zu verdanken. Der Gitarrist von Death Cab For Cutie
kann mittlerweile eine elendslange Liste an Produktionen vorweisen, in der The Decemberists neben Nada Surf und Hot Hot Heat stehen. So packt Chris Walla auch bei der Truppe aus Springfield sein ganzes Wissen und seine Erfahrung aus, schraubt das Schlagezug manchmal mit seltsam hölzernen Sound in den Hintergrund, lässt die Stimmen ineinanderfließen, bringt die Gitarrenakkorde so richtig zum Scheppern und reduziert den Song auf sein essentielles Gerüst, getrieben von Tambourin und Geklatsche. Und das alles in dreieinhalb Minuten, wie der Song "Banned (By The Man)" beweist.

Someone Still Loves You Brois Yeltsin live in Österreich:
- Samstag 02. Oktober im Sublime in Aflenz
- Sonntag 03. Oktober Chelsea Wien

Someone Still Loves You Boris Yeltsin

Someone Still Loves You Boris Yeltsin

Es scheint ganz so, als könne sich Chris Walla gut in den Sound und in die Persönlichkeiten von Someone Still Loves You Boris Yeltsin einfühlen. Vielleicht liegt es auch an der Vorliebe für seltsame Bandnamen, denn so wie Death Cab For Cutie eher in die Kategorie "unglücklich gewählt" fällt, ist die Liebesbekundung für den ehemaligen sowietischen Präsidenten Boris Yeltsin nicht nur lang, sondern provoziert auch die aufgelegte Journalistenfrage nach dem Ursprung, sodass die vier Jungs immer wieder ihre Standartantwort anbringen müssen. Sie hätten aufgrund ihres Alters nichts vom Kalten Krieg mitbekommen, sondern lediglich Mitleid gehabt, als bei Yeltsins Rücktritt sich alle amerikanischen Satiriker und Kabarettisten über den ehemaligen Staatschef lustig machten.

Aber selbst der Fluch der Murmeltier-Frage nach dem Bandnamen kann den vier Musikern nichts anhaben. Schließlich haben sie mit diesem Album eines gelernt: Egal, ob Krankheit, persönliche Differenzen, Anspannung, Unischerheit oder Verzweiflung, lass den Dinge einfach ihren lauf und let it sway. Der Rest, wie zum Beispiel der Erfolg, kommt ganz von alleine.