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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

23. 8. 2010 - 10:43

Der Tag danach

Aufräumarbeiten am Gelände des FM4 Frequency Festivals 2010. Da schaut's vielleicht aus!

Das erste, was einem auffällt, wenn man am frühen Sonntag Nachmittag die Kelsengasse in Richtung Ex-Campingplatz geht, ist ein riesiger Müllhaufen beim Bandausgabestand. Dort konnte man nämlich die mit fünf Euro Pfand belegten Müllsäcke tunlichst voll wieder zurückgeben. Die meisten BesucherInnen sind schon abgereist, aber immer noch strömen Leute mit vollen Säcken her. Dummerweise hat der Müllpfandschalter seit Sonntag, 12 Uhr, geschlossen, was die ohnehin voll Beladenen wütend macht. Die Säcke werden einfach fallen gelassen, gegen den Container oder gar auf das Zeltdach geworfen. Dabei stehen die Öffnungszeiten sowohl dort als auch in den Faqs auf der Frequency-Seite. Da rächen sich die zwei, drei Bier zu viel in der vergangenen Nacht gleich zweifach.

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Der Müllhaufen am Haupteingang

Am Campingplatz ist noch einiges los: Katastrophentouristen aus der Umgebung sind angereist, um den Schaden zu begutachten und kommen mit dem Kopfschütteln gar nicht mehr nach. Resteverwerter suchen am Schlachtfeld nach Brauchbarem und finden von ungeöffneten Mineralwasserflaschen über vollständige Zelte bis zu vermutlich deutlich Wertvollerem Und da sind natürlich die Übriggebliebenen, die noch in Partyzelten abhängen, ihr Zeug zusammenpacken oder sich überhaupt erst jetzt aufraffen.

junger Mann schleift sein Gepäck in einem kaputten Partyzelt zum Auto.

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Mein Partyzelt ersetzt den Rucksack.

Die Szenerie wird von einem olfaktorischen Wechselspiel untermalt, das mir die Idee vom Geruchsinternet plötzlich recht verlockend erscheinen lässt. Alle Welt soll teilhaben an dieser Mischung aus Urin, Erbrochenem, verschüttetem Bier und schimmelndem Essen. Herrlich abschreckend.

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Das ist ein mutiger Mix aus Röstgemüse, Nudeln in Tomatensauce und Chili. Woran die Pfanne aber keine Schuld trägt.

Dazwischen immer wieder erst einmal Täuschendes: Ein säuerlicher Geruch führt mich zu einem Haufen sonnengetrockneter Tomaten, die sich bei näherem Hinsehen als Grapefruits - vielleicht aus dem widerlichsten Getränk der Welt, einer Sagria - herausstellen.

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Ab in die Pfanne damit!

Immer noch wirkt der kreative Geist des Frequency nach: Eine Gruppe abreisender Mädchen rekrutiert Sherpas auf die harte Tour. Wir bachten die für solche Situationen gültigen Regeln, schauen ihnen nicht direkt in die Augen, halten Sicherheitsabstand und kommen schließlich mit der Journalistenausrede durch: "Wir dürfen uns in die Realität nicht einmischen. Wir beschreiben sie nur." Sie raten zu einem Wechsel unserer bevorzugten Droge.

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Die Traisen hat das Spektakel wie erwartet recht gut überstanden: Da und dort haben sich schwimmende Müllinseln gebildet, Schwimmutensilien, kaputte Campingstühle und Partyzelte würden das postapokalyptische Bild abrunden, wenn es nicht noch ein paar Plantscher gäbe. Aber sie ist wesentlich sauberer als vor einem Jahr. Bei der Dosenumtauschaktion wurden 150.000 (!) leere gegen 10.000 volle Bierdosen getauscht. Das wären weniger als vier Bier pro BesucherIn und ist damit nur ein kleiner Teil der Gesamtdosenmenge, aber immerhin ist der Traisen damit einiges erspart geblieben. Der restliche Müll wird in den nächsten zehn Tagen eingesammelt und abtransportiert. Insgesamt sind es dann so um die 200 Tonnen.

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