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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

25. 7. 2010 - 15:53

Poesie & Understatement

Mit einem sehr unaufgeregten Wiesen-Auftritt sprengten Gil Scott-Heron und seine Band den Festival-Rahmen.

Gil Scott-Heron auf der Bühne

Christof Moderbacher

Plötzlich war er da. Die Mehrzahl der Zuschauer brauchte ein paar Augenblicke, um die unverwechselbar hagere Silhuette mit Kangolmütze zu bemerken, die da direkt nach dem Soundcheck betont unaufgeregt in Richtung Bühnenmitte spazierte.

"If you don't know why I'm up on this stage - I don't know either!", waren Gil Scott-Heron's erste Worte. An grandiosen Ansagen sollte es in den folgenden knapp einundviertel Stunden ebensowenig mangeln wie an Seitenhieben in Richtung des US-State Department, das den letztjährigen Wiesen-Auftritt des Poeten und Sängers verhindert hatte. Während der ersten drei Songs saß Scott-Heron dann ganz alleine hinterm Fender Rhodes E-Piano.

Im Zentrum dieses reduzierten Setups stand wie selbstverständlich Gil Scott-Herons Stimme. Dieses unglaubliche Organ hatte ja schon in jungen Jahren ordentlich vibriert, die vier zusätzlichen Dekaden des ungesunden Lebens haben aber zumindest seinem Vortrag tatsächlich gutgetan. Die quasi akustischen Versionen von Songs wie "Winter In America" oder "We Almost Lost Detroit" bekamen so unglaubliche Intensität.

Gil Scott-Heron am E-Piano

Christof Moderbacher

Als sich schließlich noch drei Musiker zu Scott-Heron gesellten, wurde klar, dass sich der 61-jährige wohl vorrangig auf die ruhigen Momente seines Oevres konzentrieren würde. Bass und klassisches Schlagzeug fehlten nämlich, stattdessen gab es Congas, Keyboard, Mundharmonika, Saxophon und Querflöte. Im Laufe von ausgedehnten Neuinterpretationen seiner Songs verfielen die langjährigen musikalischen Wegbegleiter Scott-Herons zeitweise dem Irrglauben, bei einem Jazz-(& Blues-)Festival müssten mindestens drei mehrminütige Soli mit Szenenapplaus ins Set gepackt werden. Die wenigen schalen Momente wurden aber mit Gil Scott-Herons Stimmeinsatz gleich wieder wettgemacht. Vom großen letzten Album I'm New Here war nur ein Song zu hören, aber auch "I'll Take Care Of You" alleine sorgte für einen der absoluten Höhepunkte des Konzerts.

Gil Scott-Heron und Band

Christof Moderbacher

Nach einer sehr berührenden Kombination von "The Other Side" und "Home Is Where The Hatred Is" (so sah das woanders aus), gaben uns Scott-Heron und seine Band zum Abschied einen großen Hit, das tanzbare Alkoholismus-Drama "The Bottle". Trotz reduzierter Besetzung groovte das ganz gehörig, und das zwischendurch schon unruhig gewordene Festivalpublikum feierte den Soul- und Poetengott am Ende doch noch ordentlich.

Gil Scott-Heron in deep concentration

Christof Moderbacher

Die Revolution wurde an diesem Abend nicht nicht im Fernsehen übertragen und auch sonst trat Gil Scott-Herons wortgewaltige Seite eher in Form von launigen Ansagen zwischen den Songs zutage. Musikalisch war das Konzert aber trotzdem voll poetischer, intensiver und ruhiger Momente, in denen sich mehrmals die Gänsehaut meldete. Im tendenziell oft auf Spektakel aufgebauten Festivalumfeld können sich solche Qualitäten leider nicht optimal entfalten. Ein Konzert in kleinerem Rahmen hätte deshalb wohl noch eine Spur mehr Potenzial gehabt.