Erstellt am: 10. 7. 2010 - 19:40 Uhr
Soll ich zu Prince gehen? Eine Entscheidungshilfe.

prince
So ungefähr müsste Prince heute aussehen.
Circa 86 Euro für den Stehplatz (teurer geht auch), um das erste Österreichkonzert von Prince seit gefühlten 1999 Jahren zu sehen, klingt jetzt nicht gerade nach Okkasion. Für alle Unentschlossenen noch eine persönliche Plus-Minus-Liste als Entscheidungshilfe.
Plus
Der Legendenfaktor: Der Mann war einmal richtig groß, und in einer gewissen Ära des Pop bedeutete das jeweils aktuelle Album des Meisters eine neue Messlatte in Sachen Verwegenheit, Inspiration oder Funkyness. Im Idealfall ("Around The World", "Sign 'O' The Times", "Parade", "Lovesexy") sogar alles auf einmal. Dafür muss man dem Mann ewig dankbar sein.
Minus
Der Nostalgiefaktor: Für mich, der sich schwertut, Musik mit nostalgischem Wohlgefühl zu hören, ist schon die Vorstellung grauenhaft, mit dem vermutlich großteils "40-plus-Publikum", bei "Purple Rain" das Feuerzeug, pardon, das Handy zu schwenken.
Plus
Hey, es ist Prince, der verlorene Sohn der heiligen Dreifaltigkeit des 80er Jahre. Im Gegensatz zu Jacko und Madonna ist seine Musik wenigstens nicht ganz so durchgenudelt. In allen Retro-Bemühungen um die 80er Jahre ist sein Werk mehr oder weniger vergessen worden. Jede B-Seite von Rick James ist vergleichsweise zu Tode gesamplet worden. Vielleicht führt das Konzert ja zu einer Neubewertung, Neuentdeckung.

prince
Ein Still aus dem verlorengegangenen Prince-Film "Under The Cherry Moon". Hat den jemand gesehen?
Minus
Mit Zeitgenossenschaft hat Prince nicht mehr viel zu tun: Dafür findet er das Internet jetzt böse. Zitat: "Anyway, all these computers and digital gadgets are no good. They just fill your head with numbers and that can't be good for you." Seine Musik gibt es übrigens trotz gegenteiliger Behauptung natürlich auf den Musikdownload-Plattformen.
Plus
Schlagzeugerin Sheila E. kommt mit und singt vorrausichtlich "Love Bizarre".
Minus
Wendy und Lisa kommen nicht mit. Und Vanity 6 sind auch nicht im Vorprogramm.
Plus
Die Spielzeit: Wie man von der aktuellen Europa Tour hört, sind zweieinhalb Stunden Prince das Minimum. Man bekommt also was für sein Geld. Spielt er auch noch spontane Aftershow-Konzerte wie anno dunnemal im U4 oder im Technischen Museum? Vielleicht ja in der Fluc Wanne.
Minus
Das Prinzip "Jam", mit dem Prince immer schon gerne operiert hat, ist mitunter nicht ganz so funky, wie es der Meister mittels Hüftschwung gerne suggerieren würde. Mit zeitgenössischen Beatkonstruktionen kann Prince nicht mehr wirklich mithalten, dafür dauert es schon einmal eine Viertelstunde, bis alle Soli überstanden sind.

prince
Ein schönes Cover
Plus
Starfish and Coffee, The Ballad of Dorothy Parker, If I Was Your Girlfriend, Girls and Boys, Rasperry Beret, Sometimes It Snows In April.
Minus
Diese Songs stehen alle nicht auf der Setlist der aktuellen Tour. Für Unvorhersehbarkeiten ist Prince aber immer ein Garant.
Plus
Die Utopie von Prince und seinem Paisley Park hat ethnische und Gender-Grenzen mit einer Lockerheit gesprengt, da hat das akademische Theoriemilieu den Begriff "Queer Studies" noch nicht einmal buchstabieren können. Mit dem Siegeszug von R'n'B und Hip Hop war dieser Traum von den in jeder Hinsicht verschmelzenden Körpern im Mainstream allerdings schnell wieder ausgeträumt.
Minus
Die 80er-Jahre-Songs von Prince, damals von Kritikern und Publikum als State Of The Art bejubelt, sind teilweise schlecht gealtert. Die Sounds klingen für gegenwärtige Ohren oft steril und überproduziert. Selbst DJs, die sonst gerne die eine oder andere 80er-Jahre-Perle ausgraben, machen um Prince einen weiten Bogen. In die Setlist des klassischen "Hochzeits-DJs" hat es nur "Kiss" gebracht, eine überraschend schmale Ausbeute. Aber vielleicht kommt ja noch eine Renaissance. Ich werde meine "Controversy" LP jedenfalls nicht verkaufen und hoffe auf eine Zusammenarbeit mit Hudson Mohawke.
Plus
Seine ersten circa 13 Platten (bis 1993). Ausnahmen bestätigen die Regel.

prince
Ein schiaches Cover
Minus
Seine letzten circa 15 Platten (ab 1994). Ausnahmen bestätigen die Regel.
Plus
Die Gitarrensolos
Minus
Die Gitarrensolos
Plus
Prince steht mittlerweile nicht mehr auf hohen Absätzen, sondern bekennt sich mit flachem Schuhwerk zu seiner Körpergröße (abgeblich 1,57 m). Ein Empowerment für etwas kleiner geratene Menschen wie mich.
Minus
Prince ist Zeuge Jehovas.
Doppelplus
Alle Konzerte, die ich bisher von ihm gesehen habe. Da wird schon nichts schiefgehen.