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26. 6. 2010 - 13:06

Festung Toronto

Der G20-Gipfel in Toronto: Ein Stimmungsbericht aus der Metropole Kanadas.

Thomas Gegenhuber

Thomas Gegenhuber

Thomas Gegenhuber studiert Wirtschaftwissenschaften und Sozialwirtschaft an der JKU Linz und absolviert derzeit ein Auslandsjahr in Toronto. Als langjähriger politischer Aktivist nimmt er an den friedlichen Protesten zum G20-Gipfel teil.

Samstag und Sonntag findet der G20-Gipfel findet im Metro Convention Center, in "Downtown" statt. Den EinwohnerInnen Torontos, den Torontonians, geht der Gipfel in erster Linie auf die Nerven. Die halbe Innenstadt wird für mehrere Tage lahm gelegt und die Torontonians müssen zahlreiche Einschränkungen über sich ergehen lassen.

Von den Fußballfans...

Fußballfans auf G20-Demo

THomas Gegenhuber

Ich lebe zur Zeit in der Nähe der Kreuzung Ossington und College Street, also unmittelbar zwischen "Little Italy" und "Portugal Village". Es ist ein sonniger Freitag Nachmittag, eine gute Gelegenheit das Zentrum der Stadt zu erkunden. Eine WG-Kollegin und ich nehmen das Rad und starten unsere Tour.

Die College-Street im Herzen von "Little Italy" ist ein Mekka für Fußballfans. In den meisten Lokalen und in den Gastgärten kann man die WM-Spiele mitverfolgen. Dass die hier untertags übertragen werden, scheint kein Problem für überzeugte Fans zu sein. Die Lokale sind voll. Auf dem Weg sehen wir portugiesische wie brasilianische Fans, die den Ausgang des Spiels feiern. Vom G20-Gipfel ist hier noch nichts zu bemerken.

...zu den ersten Protesten.

Fahrradpolizisten

Thomas Gegenhuber

Allans Garden ist ein Park in Downtown, der nur fünf Gehminuten vom zentral liegenden Dundas Square entfernt ist. Je näher wir der Innenstadt kommen, umso mehr Polizeipräsenz ist sichtbar. An fast jeder Ecke stehen Polizisten oder sie patrollieren in Gruppen auf ihren Fahrrädern. Schließlich kommen wir in Allans Garden an, um uns einen Eindruck von der ersten Vordemonstration zu machen. Hier erfolgt auch unser erster direkter Kontakt mit der Polizei. Um in den Park zu kommen, müssen wir uns einer Sicherheitskontrolle unterziehen. Die Cops untersuchen unsere Rucksäcke nach Waffen. Ich habe schon an einigen Demos teilgenommen, aber das habe ich noch nie erlebt. Nachdem ich nur ein Studierendenvisa habe und das kanadische Rechtssystem nicht kenne, lasse ich diese Kontrolle über mich ergehen. Auch wenn die Cops einen freundlichen Ton anschlagen, empfinde ich diese Kontrolle als eine starke Einschränkung.

Polizisten im Park, die G20 Demonstranten aufhalten

Thomas Gegenhuber

Es geht nicht nur mir so. Einige kanadische Demonstranten verweigern die Kontrolle und argumentieren, dass diese ungesetzlich sei. Es kommt zu einem Wortwechsel zwischen Polizei und DemonstrantInnen, alles wird penibel von anderen DemonstrantInnen gefilmt. Die Situation ist angespannt. Der Konflikt dreht sich hier um die grundsätzliche Frage: Wie weit dürfen die Sicherheitskräfte gehen, um die Sicherheit bei Demonstrationen zu gewährleisten. Unabhängig davon, dass für diese kleine Demonstration in Allans Garden unverhältnismäßig viele Cops stationiert sind, geht die Kontrolle von Rucksäcken ohne jeglichen Verdacht vielen zu weit.

Ermöglicht wurde diese Maßnahme durch den Gesetzgeber in Ontario. Außerdem kann jeder und jede festgenommen werden, der oder die sich verweigert, seine Identität preiszugeben. Diese Verordnung ist nur für den Zeitraum des G20-Gipfels gültig und wird erst danach(!) veröffentlicht. Diese Nichtinformationspolitik wird wohl noch zu einigen Konflikten führen.

In der Hochsicherzeitszone

HMV

Thomas Gegenhuber

Noch kann man sich "frei" in der Hochsicherheits-Zone rund um das Metro Convention Center bewegen. Auf dem Weg dorthin sehen wir einige Geschäfte, die sich besonders intensiv auf die samstägliche Großdemonstration vorbereitet haben. Eine Filiale von HMV hat ihre gesamte Schaufensterfront mit Holzplatten verbarrikadiert.

Das Polizeiaufgebot steigt exponentiell, je näher wir dem Convention Center kommen. Die Hochsicherheitszone ist mit 2,5 Meter hohen und klettersicheren Zäunen abgesichert. Die Straßen sind für einen frühen Freitag Nachmittag verhältnismäßig leer. Die Stadt fühlt sich hier wie eine Festung an. Ein Freund von mir, der nahe der Hochsicherheitszone lebt, bringt die Stimmung auf den Punkt: Es liegt Angst in der Luft. Auch wenn die meisten Cops uns DemonstrantInnen gegenüber freundlich gestimmt sind, die Atmosphäre hier ist bedrückend.

Sicherheitszaun in Toronto

Thomas Gegenhuber

Nachdem die Luken dicht gemacht werden und die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen ist, möchte man diesen Zäunen nicht nahekommen. Die Sicherheitskräfte haben sich auf gewaltsame Proteste vorbereitet. Neben den Sicherheitszäunen, dem großen Polizeiaufgebot, Tränengaswerfern, Helikoptern, Polizeibooten und Wasserwerfern wurden auch sogenannte "Sound Cannons" angeschafft. Die "Sound Cannons" erzeugen einen Lärm, der im Gehör Schmerzen verursacht, um potentielle Unruhestifter zu vertreiben.

Die Rechnung für den Gipfel beträgt übrigens 1,1 Milliarden Dollar, eine Summe die vielen KanadierInnen sauer aufstößt.

"The time to act is now"

Protestierende am G20 Gipfel

Thomas Gegenhuber

Schreibt das NOW Magazin (vergleichbar vielleicht mit dem Wiener "Falter") und fordert die RegierungschefInnen auf: "Get off your ass". Dringende Themen gilt es auf diesem Gipfel zu lösen: Regulierung der Finanzmärkte, Maßnahmen zur Erholung der Wirtschaft, Umweltschutz und Entwicklungshilfe.

Um die G20 an ihre Verantwortung zu erinnern, findet am Samstag Nachmittag eine Großdemonstration statt. Organisiert wird die Demo von Ontarios Dachorganisation der Gewerkschaften und einer bunten Mischung von Non-Profit Organisationen und Grassrootsbewegungen. Bei der ersten Demonstration Freitag Abend, kam es zu Verhaftungen und kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Kein sehr gutes Vorzeichen für die geplanten friedlichen Proteste am Samstag.