Erstellt am: 19. 4. 2010 - 17:49 Uhr
Grounded
Heute ist mein Tag dazwischen, meinend die Zugreisen. Die gestrige, die uns von Schottland zurück in den Süden gebracht hat, und die morgige, über drei Stationen verlaufende bis nach Wien, wo ich am Mittwoch endlich die Details des von meiner Wenigkeit zusammengestellten, kommenden Wiener Popfests ausspucken darf.
Eine Vorahnung am Samstag im Morgengrauen hatte mich aufgeweckt und mir gesagt, dass das mit der Aschenwolke nicht so schnell vorbei sein würde wie vorausgesagt. Also hab ich uns noch schnell einen Zug gebucht, andernfalls wären wir gestern wohl bei Freunden in Kaledonien hängengeblieben.
Wäre uns auch recht geschehen für die grundsätzlich gänzlich unmoralische, wenig Zeit- aber schockierenderweise ziemlich kostensparende Idee, von London nach Schottland zu fliegen.

Robert Rotifer
Womit wir auch schon beim Kern der Sache sind: Ich bin einer, der seine transkontinentale Pendelroute zu zwei Dritteln in der Luft, sonst gar nicht so ungern mit dem Auto, aber viel seltener, als mir eigentlich lieb wäre, mit dem Zug bewältigt.

Robert Rotifer
Es gab eine Zeit, vor 22 Jahren oder so, da pflegte meinereins auf dem Wiener Bahnhof eine Retour-Fahrkarte zu kaufen und nach England mit der Bahn zu fahren, wenn der Kies zum Fliegen zu knapp war. Ohne Umsteigen durch bis Ostende.
Heutzutage dagegen steige ich von einem teuren High-Speed-Zug in den nächsten, zahle ganz wesentlich mehr (weiß schon, die Deutsche Bahn hat ihre Angebote, aber trotzdem...) und erspare mir dabei zeitmäßig im Vergleich zu damals praktisch nichts.
Die unangenehmen Details des an Agenturen gebundenen internationalen Bahn-Ticketkaufs von Großbritannien aus wären jetzt zu müßig zu erklären.
Belassen wir es bei der unerfreulichen Erfahrung, dass wir zu Weihnachten 2008 knapp 90 Pfund Kommission zahlten, um zu viert für 900 Pund nach Wien zu fahren (bei Buchung im Oktober).
Jetzt, wo ich die Routen ein bisschen kenne, brauch ich die Typen nicht mehr und buche von Land zu Land.

Robert Rotifer
Vorgestern klopfte und hämmerte ich mich also durch die Eurostar-Website (zu Fuß mit der Fähre ging nicht mehr, und die SNCF-Website ist schlechter programmiert als die von einem durchschnittlichen Landgasthof). Nach geschätzten 15mal Kreditkartennummer-Eingeben kam ich durch, bediente mich gleich darauf bei der wesentlich besser organisierten deutschen Bahn und stieg am Ende mit ca. 400 Euro insgesamt für einmal Ashford-Paris-München-Wien aus. Hätte weit schlimmer kommen können.
Das wirklich Ärgerliche an dieser unnötigen Nervenprobe und dem sonstigen Chaos der letzten Tage war aber, dass die ganze Aschenwolkensache innereuropäisch gesehen ja eigentlich auch eine großartige Werbung fürs Bahnfahren hätte sein können.
Schön für letztes Jahr war ein einheitliches Buchungssystem von Britannien bis Österreich geplant aber schlussendlich geplatzt.
Wie ich vom Trainspotter von nebenan erfuhr, unter anderem deshalb, weil das Eurostar-Monopol fallen und die ICEs dann bis London fahren sollen.

Robert Rotifer
Eh gut, zumindest im Direktvergleich der Sitze und der Bordrestaurants bzw. -Büffets, aber in seiner zumindest zeitweilig offenbar negativen Auswirkung auf die Möglichkeit zum Kauf europaweiter Fahrkarten ein typisches Beispiel dafür, wie Konkurrenz im öffentlichen Verkehr den Interessen der Passagiere zuwiderlaufen kann.

paulweller.com
Was ich hiermit zerknirscht festgehalten haben wollte, ehe ich mich wieder meiner heutigen Sendung (Heartbeat ab zehn, auf diesem Sender hier) zuwende, in der ich mein jüngstes Paul Weller-Interview abspielen werde - samt ausführlichen Ausschnitten aus „Wake Up The Nation“, seinem ex aequo besten Album seit dem letzten (weil schon das zu seinem Fünfziger erschienene 22 Dreams sein überraschenderweise insgesamt Bestes bzw. Komplettestes war).

Robert Rotifer
Wenn sich bloß jene Leute, die von seiner Koks-induzierten Macker-Rock-Phase der Spätneunziger abgestoßen waren, noch davon überzeugen ließen. Es ist ihr eigener Schaden, ist ein gutes Weller-Album doch berückend und variiert wie eine Fahrt von Edinburgh nach London auf der East Coast-Mainline und verhält sich insofern zu „Heavy Soul“ in ungefähr wie jene Fahrt zum entsprechenden Flug.

Robert Rotifer
Aber genug der Analogien hier. Besser weiterarbeiten, Sendung schicken, und dann flott packen...

Robert Rotifer