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17. 3. 2010 - 18:44

In and Out

Wenig überraschend mehren sich seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in katholischen Institutionen die Kirchenaustritte. Ist der Austritt ein geeignetes Mittel, um die Missstände anzugehen?

Missbrauch und die katholische Kirche
(18. März 2010)

  • Stephan Bazalka, Vorsitzender der Katholischen Jugend und Hubert Feichtlbauer von der Plattform "Wir sind Kirche"sind in Connected zu Gast und diskutieren mit Euch über Austrittswelle und Reformstau in der katholischen Kirche.
  • Alex Wagner hat mit dem Bundesjugendseelsorger Markus Muth gesprochen, wie er als Priester mit der medialen Berichterstattung über die Missbrauchsaffäre umgeht

Kirchenaustritte gehören zum regelmäßigen statistischen Repertoire der Medienwelt, genauso wie Schneehöhe, Niederschlagsmengen und die meisten gelben Karten der vergangenen Bundesligasaison. Besonderes Augenmerk wird den Zahlen aber immer dann geschenkt, wenn die größte österreichische Glaubensgemeinschaft in einer Krise steckt.

Und hier sind sie:

5,53 Millionen Österreicherinnen und Österreicher waren zu Beginn des Jahres noch angemeldete Katholiken. Die nun aufgetretenen Missbrauchsfälle in diversen kirchlichen Institutionen führten erwartungsgemäß zu einer Austrittswelle großen Ausmaßes.

Der Anstieg zieht sich durch alle Bundesländer. Besonders betroffen sind jene Regionen, in denen in den letzten Wochen vermehrt Opfer an die Öffentlichkeit gegangen sind. So haben etwa in Salzburg seit Anfang März mehr als 120 Menschen ausgetreten, was dem dreifachen Wert einer "normalen" ersten Märzhälfte entspricht. In Ober- und Niederösterreich sind die Zahlen nicht so stark gestiegen. Als Grund nennen die jeweiligen Diözesen, dass im Vergleichszeitraum des Vorjahres die Querelen rund um den dann doch nicht ernannten Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner ihren Höhepunkt erreicht haben, und es deshalb dort auch schon vor einem Jahr zu einem Anstieg gekommen ist. Dennoch ist die Zahl heuer noch einmal gestiegen.

Einziger Ausreißer ist Tirol. Heuer sind bisher um die 660 Personen ausgetreten. Das sind 27 Prozent weniger als im Jahr 2009. Diözesan-Referent Reinhard Grübl warnt gegenüber der APA aber vor zu großem Optimismus: "Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass Austrittswellen etwas zeitverzögert passieren". Der Höhepunkt der aktuellen Austrittswelle könnte also auch erst in zwei Monaten eintreten.

Fakten zum Austritt

Wer aus der Kirche austreten will, hat gewisse bürokratische und vor allem theologische Hürden vor sich. Zuständig dafür ist das Bezirksamt des Hauptwohnsitzes. Abmelden geht allerdings erst ab einem gewissen Alter: Unter 12 entscheiden die Eltern über die Religion des Kindes. Zwischen 12 und 14 hat das Kind Mitspracherecht, danach kann es selbst entscheiden. Benötigt werden Taufschein, Meldezettel, ein Lichtbildausweis sowie eine unterschriebene Erklärung, in dem der Austritt erklärt werden muss. Das genaue Prozedere ist von Amt zu Amt verschieden: Manchmal genügt ein Brief mit all den Unterlagen, woanders geht es auch per Fax. In anderen Bezirksämtern muss der Austrittswillige persönlich erscheinen. Extrakosten gibt es nicht, solange alle ausstehenden Kirchenbeiträge bereits bezahlt sind. Wer eine Bestätigung braucht oder will, muss mit ein paar Euro Mehraufwand rechnen.

Die theologische Komponente eines Kirchenaustritts ist da schon ein wenig komplizierter. Grundsätzlich gilt: Wer getauft ist, ist Mitglied der katholischen Kirche. Tritt man aus, ist man zwar kein zahlendes Mitglied mehr, gehört aber trotzdem quasi zum erweiterten Personenkreis. Taufpate und Trauzeuge kann man dann allerdings nicht mehr werden. Was die kirchliche Trauung betrifft, hängt es vom Pfarrer ab. Oftmals genügt es, wenn ein Ehepartner Kirchenmitglied ist.

Die andere Seite

Weniger oft behandelt wird das Thema "(Wieder-)Eintritt in die katholische Kirche". Hier sind die staatlichen Stellen nicht involviert. (Wer will, kann seine neue oder wieder existente Mitgliedschaft am Meldezettel angeben). Zuständig für die Rückkehr ist der Priester der Wohnpfarre, ein beliebiger Seelsorger oder das Ordinariat der zuständigen Diözese. Über das genaue Prozedere wird dann dort entschieden. Wer bereits gefirmt ist, hat keine großen Schwierigkeiten. Ist das nicht der Fall, muss theoretisch der Firmunterricht nachgeholt werden, der in manchen Fällen aus einem wöchentlichen Besuch über einen Zeitraum von einem halben Jahr besteht. Wer ausgetreten ist und danach wieder eintreten will, muss übrigens keine nachträglichen Kirchenbeiträge bezahlen.

Stephan Bazalka, Vorsitzender der Katholischen Jugend und Hubert Feichtlbauer von der Plattform "Wir sind Kirche"

Radio FM4

Stephan Bazalka, Vorsitzender der Katholischen Jugend und Hubert Feichtlbauer von der Plattform "Wir sind Kirche" zu Gast im FM4 Studio.

Und du?

Wir sprechen am Donnerstag von 16 bis 17 Uhr in Connected mit Experten über die Folgen der aktuellen Ereignisse für die katholischen Kirche. Für Stephan Bazalka, den Vorsitzenden der Katholischen Jugend und Hubert Feichtlbauer von der Plattform "Wir sind Kirche" ist der Austritt kein geeignetes Mittel, um die Missstände anzugehen. Im FM4 Studio diskutieren sie mit Euch über Austrittswelle und Reformstau in der katholischen Kirche.

Eure Meinung zum Thema ist gefragt! Hier im Forum und natürlich am Donnerstag auch live auf Sendung.

Die Nummer ins Studio: 0800 226 996