Erstellt am: 7. 2. 2010 - 15:00 Uhr
Künstler, mach Kunst!
Frohes Schaffen! Möge es ein Schöpfen werden. Keine Größe ohne Größenwahn. Lass all die Romane aus deiner Feder fließen, die schon längst hätten geschrieben werden müssen, komponiere Musik, die zu schön ist für diese Welt, male, als gäbe es kein Morgen. Künstler, wir brauchen dich, ohne dich wäre es karg auf diesem Erdenrund. Lass unsere Herzen heiß und schnell schlagen. Wir wollen es dir danken.
Künstler, mach Kunst.
ABER: Bleib bei deinen Leisten. Deine Meinung zur Europäischen Union und zum Regenwald ist nicht bedeutend, nur weil du Künstler bist. Politik ist eine Disziplin, die sich mit dem Allgemeinen beschäftigt, also bleib du beim Speziellen. Wenn du nach meinem Lieblingssong nicht das nächste Lied spielst, sondern vom Auditorium erwartest, deine Ansichten zur Wirtschaftskrise zu akklamieren, soll ich da mitklatschen, nur weil mir deine Musik gefällt? Soll ich das doppelseitige Interview mit dir über die amerikanische Außenpolitik erbaulich finden, weil ich deine Romane im Billy-Regal aufgereiht habe? Soll ich es etwa nicht manipulativ und dreist finden, wenn ich deine aus Fertigteil-Sprache gebildeten ‚Statements‘ zu irgendwelchen Skandalen lesen muss, wenn du im Windschatten deiner Popularität in Bereiche vorstößt, für die es genug eigene Protagonisten und Experten gäbe?
Künstler, mach doch einfach Kunst!
UND: Sei ruhig faul dabei. Der Müßiggang ist ein heiß sprudelnder Quell an Inspiration. Wenn die Musen dich dann mit Zungenküssen locken, wirst du brennen und arbeiten, als wäre es dein letzter Tag. Du wirst dabei wie von selbst fortschreiten und lernen.
Militärische Disziplin dagegen ist beim Militär gefragt, wo sonst. Und auch wenn auf allen Kanälen rund um die Uhr Pop-Rekrutierungs-Formate laufen sollten – Sieh nicht hin! Mit Ausdauer, Fleiß, ehernem Willen und Verbissenheit wird man entweder Schirennläufer oder Dieter Bohlen, aber kein Künstler. Du brauchst nur dein Talent, deinen Kopf und die Werkzeuge für die Kunst, beispielsweise die Stimme. Nachgewiesenermaßen beeinflussen Zellulitis oder unmodische Brillen die Stimmgewalt keineswegs.
Du bist kein Soldat und kein Sportler, du bist Künstler.
Also mach Kunst.
ABER: ‚privare‘ sagten die Römer immer dann, wenn sie ‚bewahren‘ meinten, und ‚privat‘ heißt folglich so, weil es etwas zu bewahren gilt, dein Leben also, dein Glück und Pech, deine Nacktheit, deine Familie. Künstler, mach Kunst und lass uns mit deinem geilen Body verschont. Wir wollen vielleicht manchmal, aber müssen keineswegs wissen, ob dein Partner gerade eine Suppendiät macht oder schnarcht. Dein Beruf bedingt auch nicht, im Zuge von Homestorys mit einem guten Roten vor deiner Bücherwand dabei gefilmt zu werden, wie du die Entbehrungen deiner Adoleszenz erörterst. Und wirf alle Einladungen zu Events ungelesen weg, in diesen Stunden, in denen du Teil einer Society oder gar ein VIP wirst, kannst du Kunst schaffen.
Deine eigene Kunst.
Mach sie
und keine andere. Und wenn man dich mit einem noch so ergiebigen Geldregenschauer dazu bringen will, Ideen und Geschmack von anderen umzusetzen, sag nein und vertrau dir selbst. ABER: Hör auch auf mit falscher Künstler-Romantik. Armut macht nicht unbedingt kreativ. Geld bedeutet auch Freiheit und Zeit, beides brauchst du in Fülle. Steck jeden Cent mit ruhigem Gewissen ein, den wir für dich auszugeben bereit sind. Du hast es verdient, denn du machst uns froh.
So, Künstler.
Genug der Worte, raus mit dir aus dem Internet. Zieh dich warm an, geh spazieren, denk dir dabei was Schönes aus und dann schreibe, spiele, male, meißle mit Verve und Konzentration an deinem Werk . Das ist dein Beruf, nichts anderes.