Erstellt am: 3. 2. 2010 - 11:45 Uhr
Capellos Englischlehrer
Im Interview mit dem ballesterer spricht er über seltsame Erlebnisse mit Stefan Effenberg, den Stress in der "Flash Zone" und die Fähigkeiten von Fabio Capello beim Luftballonaufblasen.
Interview: Christian Achatzi
Fotos: Daniel Shaked

Ballesterer
Der ballesterer Nr. 49 (Februar 2010) mit dem Titelthema "Fußball und Krise" ist ab sofort österreichweit im Zeitschriftenhandel erhältlich.
Ebenfalls in dieser Ausgabe:
- West Hams geplatzte Blase: Fast bankrott wegen der isländischen Bankenkrise
- "Hauts es eini, die Juden!": Rapids Verhältnis zum Wiener Judentum vor 1938
- Anstoß: Blick in die Röhre - Beobachtungen zum TV-Vertragspoker
- Dr. Pennwiesers Notfallambulanz: Der Jochbeinbruch
- Groundhopping: Der mallorquinische Kastagnetten-Specht
Wie sind Sie Fußballdolmetscher geworden?
Peter Clark: Ich war schon immer ein großer Fußballfan und habe bis zum College auch aktiv gespielt. Als ich 2001 gefragt worden bin, ob ich nicht Lust hätte, beim Spiel Arsenal gegen Bayern München als Übersetzer zu arbeiten, habe ich nicht lange gezögert. Und plötzlich bin ich in einer Pressekonferenz mit Stefan Effenberg, Oliver Kahn und Ottmar Hitzfeld gesessen. Ich habe vor Nervosität so gezittert, dass ich nicht einmal aus meinem Glas trinken konnte. Da hat mich der Stefan Effenberg zur Seite genommen, mir einen Klaps gegeben und gesagt: "Was sollen wir denen erzählen? Übersetz einfach, was du willst." Da habe ich mir gedacht: "Das ist ja alles super locker hier", mein Glas genommen und getrunken.
War dieses Erlebnis die Initialzündung für die Gründung Ihrer eigenen Firma?
Damals habe ich noch in London für IBM in einem Callcenter gearbeitet, gemeinsam mit Portugiesen, Spaniern, Italienern und Niederländern. Wir haben uns in jeder Pause nur über Fußball unterhalten. Irgendwann habe ich mir die Frage gestellt: "Warum sitze ich hier und mache Interviews, wenn sich die ganzen Jungs doch nur für Fußball interessieren?" Darauf habe ich meine Kollegen angesprochen und anschließend Celtic angeschrieben. Die wurden dann mein erster Privatkunde. Das war 2002, und seither floriert das Geschäft. Heute sind wir in 14 Ländern vertreten.
Welche Dienstleistungen bieten Sie an?
Wir bezeichnen uns als Fußball-Sprachfirma. Wir arbeiten mit Klubs, Verbänden, Nationalmannschaften, Fernsehgesellschaften sowie der UEFA und FIFA zusammen. Für die Klubs stellen wir bei internationalen Spielen Dolmetscher für die Pressekonferenzen zur Verfügung. Gelegentlich werden auch Dolmetscher für das Training benötigt, oder es wird ein neuer Spieler verpflichtet und der Presse vorgestellt. Wir geben auch sehr viele Unterrichtsstunden. Ich bin zum Beispiel der Englischlehrer von Carlo Ancelotti und Fabio Capello. Der Unterricht ist immer fußballbezogen, also ein Fußballexperten-Sprachservice.
Gehen diese Beziehungen auch über das Geschäftliche hinaus?
Es haben sich daraus einige persönliche Freundschaften entwickelt. Als Fabio Capello nach England gekommen ist, hat er mich wahrscheinlich öfter gesehen als seine Frau. Wir haben täglich sehr intensiven Kontakt gehabt, damit er schnell Fußball-Englisch lernt. Neulich war er auf dem Schulfest meiner Tochter und hat Luftballons aufgeblasen.

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Wie kann man sich Englischunterricht mit Fabio Capello vorstellen?
Ich bringe ihm bei, wie er mit seinen Spielern sprechen kann. Oder der Pressesprecher der englischen Nationalmannschaft gibt uns Fragen, die bei einer Pressekonferenz gestellt werden könnten. Das spielen wir durch und ich sage ihm, was man sagen kann und was nicht. Die Italiener sagen zum Beispiel häufig "It arrived at the right moment" und meinen "es kam im richtigen Moment". Richtig hieße es "It was at the right time".
Sie haben erwähnt, dass Sie auch mit UEFA und FIFA zusammenarbeiten …
Ja, das ist ein interessanter Teil unserer Arbeit und nennt sich "Theater and Media Services". Wir bearbeiten alle Interviews, die auf der Website der UEFA zu finden sind. In den Ländern, in denen wir tätig sind, wird alles, was im Fußball übersetzt werden muss, von uns bearbeitet. Das Format spielt dabei keine Rolle – Live, Text, Video, Voice-over. Wenn Michael Ballack ein Interview auf Deutsch gibt, wird es anschließend an unser Studio geschickt und dort machen wir das Voice-over.
Bei Clark Football Language Ltd. arbeiten über 200 Dolmetscher, welche Fähigkeiten müssen sie mitbringen?
Neben Flexibilität muss eine absolute Leidenschaft für den Fußball vorhanden sein. Als professioneller Simultandolmetscher kann man bei Aufträgen 200 bis 250 Euro die Stunde verdienen. Beim Fußball wird man nie solche Summen bekommen. Die Dolmetscher können auch nicht von Tag eins an sagen: "Ich will jetzt für den FC Barcelona arbeiten." Sie werden langsam aufgebaut. Zunächst müssen sie ein paar Qualifikationsspiele und Fernsehaufträge betreuen. Wenn sie dann vollzeitbeschäftigt sind, haben sie aber auch bei mir einen sehr gut dotierten Job.

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Wie läuft die Ausbildung der Dolmetscher ab?
Ein neuer Dolmetscher wird vor jedem Spiel intensiv geschult. Dazu veranstalten wir für alle Dolmetscher drei, vier große Ausbildungsseminare im Jahr. Dort stellen wir mit Rollenspielen Pressekonferenzen nach. Da spielen dann 15 Dolmetscher die Journalisten, und von den anwesenden Franzosen muss dann einer Thierry Henry, einer der Trainer und einer der Dolmetscher sein. Für große Spiele nehme ich allerdings nur Mitarbeiter, die schon vier bis sechs Jahre Erfahrung haben.
Tauchen Probleme auf, wenn der Dolmetscher keine Ahnung vom Fußball hat?
Ja, da gibt es einige Fälle. Einmal hat ein Dolmetscher eine "Ampelkarte" mit "Traffic-light Card" übersetzt. Der Trainer ist daneben gesessen und hat nur den Kopf geschüttelt. Es kann auch vorkommen, dass einer die Abseitsregel nicht kennt. Wenn sich der Dolmetscher im Fußball überhaupt nicht auskennt, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent, dass es während der Pressekonferenz zu verwirrenden Situationen kommt. Viele Dinge werden von Dolmetschern ganz einfach wörtlich übersetzt.
Als Dolmetscher ist man der großen Fußballbühne sehr nahe. Welche Erlebnisse werden Sie nie vergessen?
Kurz nach Gründung der Firma hatten wir für einen Fernsehsender den Auftrag, beim Spiel Juventus gegen Bayern München die Interviews in der "Flash Zone" zu machen. Unser Mitarbeiter hatte so etwas zuvor noch nie gemacht und hat während des Spiels die TV-Produzentin gefragt, ob sie die Fragen für die Trainerinterviews vorbereitet hat. Sie hat ihn nur verwundert angeschaut und geantwortet: "Nein, die musst du haben." Da hat er gerade noch 15 Minuten gehabt, bevor er die Trainer live interviewen musste. Juventus hat das Spiel 1:0 gewonnen, und Bayern-Trainer Magath war der Erste, der in die "Flash Zone" gestürmt ist. Da hat unser Mann gesagt: "Herr Magath, war das ein Geschenk zurück an Turin, nachdem sie 1983 für Hamburg das entscheidende Tor im Finale gegen Juventus geschossen haben?" Magath hat ihn angelächelt und ein super Interview gegeben.
Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Dolmetscher und Verein beschreiben?
Das Verhältnis zwischen Dolmetscher, Spieler, Trainer und Verein ist meistens sehr gut. Es läuft alles mit einem Lächeln ab, und häufig geschehen wirklich witzige Geschichten. Vor einiger Zeit haben wir ein Spiel von Werder Bremen gegen eine russische Mannschaft betreut. Nach dem Match hat unser Dolmetscher die Spieler auch zu den Dopingkontrollen begleitet. Da sind dann alle in einem kleinen Zimmer gesessen und haben darauf gewartet, dass die Spieler urinieren. Die konnten aber nicht. Nach über einer Stunde hat unser Dolmetscher begonnen, mit den Spielern ein paar Bierchen zu trinken, um den Vorgang zu beschleunigen. Noch bevor ein Spieler pinkeln konnte, ist unser Dolmetscher schon sechsmal auf dem Klo gewesen. Nach der Dopingkontrolle hat er die zwei russischen Spieler so gegen 1.00 Uhr noch persönlich ins Hotel gebracht. Die Direktoren der russischen Mannschaft waren so dankbar, dass sie ihn gleich dortbehalten haben. Und da haben sie bis 5.00 Uhr in der Früh gemeinsam Wodka getrunken.