Erstellt am: 24. 1. 2010 - 09:55 Uhr
Life is Live
2009 wurden ja in Berlin auf gleich drei mehrtägigen Kongressen die Folgen der Digitalisierung, das Ende des Pop, der Popkultur, der Popkritik und Jugendkultur diskutiert. Am letzten Wochenende hieß es im Hebbel Theater dann "Life is Live".

Christiane Rösinger
Christoph Gurk, früher Spex-Redakteur, jetzt Musikkurator am Theater, hatte zu Musik, Diskurs und Performance geladen. Die Grundthese lautet: Die umfassende Digitalisierung der Lebenswelten hat nicht nur zu einer Absatzkrise von Kulturwaren geführt, sondern auch eine Konjunktur des Live-Events hervorgebracht. Das führt zu einer Kommerzialisierung und Konformität des Konzertbetriebs und zwingt das Künstlersubjekt, sofern es von seiner Kunst leben will oder muss, zur permanenten Performance.

Christiane Rösinger
Simon Frith, Popprofessor aus Edinburgh hielt einen fast betriebswirtschaftlichen Vortrag zu Liveness und berichtete von zunehmender staatlicher Regulierung des Live-Events in Großbritannien. Und man erfuhr, was man eh schon wusste: Vom Live-Boom profitieren vor allem bereits erfolgreiche Acts, die in den großen Mehrzweckhallen mit riesigen Spektakeln gleich über mehrere Tage hinweg abräumen und durch Videoübertragungen das Live-Erlebnis globalisieren. Für kleinere und mittelbekannte Bands dagegen bleibt die Erkenntnis: Nur weil man weniger Platten verkauft, heißt es noch lange nicht, dass mehr Leute zum Konzert kommen. Einen Vortrag, zwei Diskussionsrunden und vier Konzerte gab es bei "Life is Live". Die beiden Panels waren mit Clubbetreibern, Stadtforschern, Bookern, Labelchefs und Musikern besetzt. So erklärte Frank Spilker, warum seine Band Die Sterne mal das Jägermeister-Sponsoring ausprobieren wollte, und ein Vertreter von Melt-Booking versicherte, man ließe sich ja schließlich nicht von den ganz schlimmen Firmen sponsern und den Bands wäre es zum großen Teil auch recht egal, woher das Geld kommt.

Christiane Rösinger
Allgemein als beunruhigend wurde die Ausbreitung des Monopolisten Live Nation beurteilt, ein amerikanischer Konzern, der schon den Bush-Wahlkampf unterstützt hatte und in kleineren Ländern wie Holland schon den gesamten Live-Markt beherrscht, weil er von Agenturen bis zu Arenen alles aufkauft. Als Folge dieser Entwicklung bleibt natürlich die kulturelle Vielfalt auf der Strecke.

Panda Bear
Abends dann, als draußen bei starken Minusgraden verzweifelte Menschen noch irgendwie an Karten für die Konzerte mit Pantha du Prince und Panda Bear kommen wollten, da war er zu spüren, der Live-Appeal. Pandabears Performance mit Laptop, umgehängter Gitarre und verhallter Stimme erinnerte dann ein wenig an die Beach Boys, während der Hamburger Pantha du Prince vom anwesenden Fachpublikum eindeutig dem Autorentechno zugerechnet wurde.
Das Whirlpool-Revival geriet am zweiten Abend dann überraschend lahm und so endete der "Life is Live"-Kongress mit einer branchenüblichen Konzertflucht - am besten stand es sich doch im Foyer mit einem Getränk in der Hand beim anregenden Gespräch, während drin performt wurde.