Erstellt am: 11. 1. 2010 - 17:00 Uhr
Über die Grauzone zwischen Ausbildung und echtem Job
- Bei einem Praktikum handelt es sich um ein Ausbildungs-, nicht um ein Arbeitsverhältnis.
- In einzelnen Branchen, wie in der Gastronomie oder in der chemischen Industrie, gibt es provisorische Regelungen, nach denen für PflichtpraktikantInnen dieselben kollektivvertraglichen Gehaltsstufen gelten wie für Lehrlinge.
- Für den Großteil der PraktikantInnen gibt es aber keine rechtlichen Bestimmungen.
- Vorsicht: Hinter vielem, was als Praktikum, Volontariat, Traineeship oder dergleichen ausgeschrieben ist, versteckt sich ein echtes Arbeitsverhältnis.
Beispiel 1: Natalie
Natalie ist Schülerin einer höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe und hat vor zwei Jahren ein zwölfwöchiges Pflichtpraktikum in einer Gastwirtschaft am Neusiedlersee gemacht. Gern hätte sie dort ihre Seviertechnik verbessert und den Umgang mit den Gästen geübt, wie es der Lehrplan ihrer Schule vorsieht. Stattdessen hieß es in Rekordtempo Bestellungen aufnehmen, Getränke ausschenken und schmutziges Geschirr abräumen. Manchmal bis zu 17 Stunden am Tag und ohne Mittagspause.
"Ich musste teilweise 80, 90 Gäste gleichzeitig bedienen", erzählt Natalie, "ohne wirklich gelernt zu haben, wie ich das am Besten schaffen kann."
Ihre Chefs nahmen sich weder für eine Einschulung, geschweige denn für eine ordentliche Ausbildung Zeit, und auch seitens der Schule gab es keine Betreuung. Der Stress und die langen Arbeitszeiten setzten der damals 18-Jährigen so zu, dass sie ihr Praktikum vorzeitig abbrechen und die versäumten Praxistage anderswo nachholen musste.

Radio FM4
Wenigstens wurde die Schülerin korrekt bezahlt. Mit rund 650 Euro brutto zwar um weit weniger, als ihre Arbeit wert war, aber immerhin um ziemlich genau 650 Euro mehr als Eva.
Beispiel 2: Eva
Die 25-jährige Juristin hat nach ihrem Diplom ein freiwilliges Praktikum bei einer internationalen Organisation absolviert, bei dem sie vollwertige juristische Arbeit leistete. Drei Monate lang. Vollzeit. Unbezahlt. Unversichert. Auf ihre Anfrage, ob sie das Praktikum auf 20 Wochenstunden reduzieren könne, damit sie nebenbei arbeiten könne, um ihre Versicherung aufrechtzuerhalten, hieß es nur, wenn sie nicht wolle, gäbe es genügend andere, die gern auf die vorgegebenen Bedingungen eingehen würden. Also legte sich Eva vorher einen Job zu, um sich anschließend ihr Praktikum zu finanzieren.
Dabei war das nicht das erste Mal, dass Eva ihre Kompetenz und ihre Arbeitskraft verschenkt hat. Bereits während ihres Studiums hat sie für eine NGO im Sozialbereich gearbeitet. 40 Wochenstunden und mehr für ein Taschengeld von 50 Euro im Monat.
FM4 Spezialtag: Praktikum

Radio FM4
Am meisten ärgert Eva, welchen absurden Anforderungen sich HochschulabsolventInnen am Arbeitsmarkt unterwerfen müssen, um überhaupt eine Chance auf den Job ihrer Wahl zu bekommen.
Nicht nur, dass sich die jeweiligen Unternehmen auf ihre Kosten eine volle Arbeitskraft erspart haben, sie haben sich nicht einmal die Zeit genommen, sie angemessen einzuschulen. "Ich habe mir gedacht, ich höre da mal einen Monat zu und im zweiten Monat darf ich ein paar Schriftsätze bearbeiten. Ich hatte ja auch noch nicht die Fachprüfung in diesem Bereich. Am ersten Tag hieß es dann, ich müsse gleich voll einsteigen, am zweiten Tag habe ich schon Schriftsätze geschrieben und am dritten Tag hatte ich eigene Klienten. Das hat mich am Anfang total überfordert."
Eva konnte zwar jedesmal interessante Erfahrungen sammeln und ist nicht zuletzt deswegen heute in ihrem Metier berufstätig. Die gewonnene Erfahrung als ausreichenden Lohn hinzunehmen, hieße aber, Politik und Interessensvertretungen aus der Verantwortung zu nehmen. Und das könne einfach nicht sein. Als Juristin hat Eva sehr konkrete Vorstellungen davon, wie die Situation der PraktikantInnen verbessert werden könnte. Sie wünscht sich eine gesetzliche Regelung.
Was bin ich?
- Muss ich eine Arbeitsleistung erbringen?
- Muss ich tun, was mir gesagt wird?
- Bin ich an fixe Arbeitszeiten gebunden?
Wer diese Fragen mit ja beantwortet, ist keinE PraktikantIn, sondern sollte in einem regulären Dienstverhältnis angestellt sein und hat das Recht auf Bezahlung, Urlaub, Krankenstand und Vollversicherung.
Praktikumsgesetz
Modelle zu einem Praktikumsgesetz gibt es schon, beispielsweise von der Sozialistischen Jugend oder den Grünen. Beide fordern eine inhaltliche Klärung, welche Bildungsziele ein Praktikum haben sollte, sowie einen kollektivvertraglich festgesetzten Mindestlohn und eine Pflichtversicherung.
Für PflichtpraktikantInnen, das heißt für jene, denen ein Praktikum im Lehrplan ihrer Schule, FH oder Uni vorgeschrieben ist, ist all das relativ einfach zu erreichen bzw. teilweise schon umgesetzt.
Fraglich bleibt aber weiterhin, wie die Situation all jener geregelt werden soll, die eigentlich keine PraktikantInnen mehr sein dürften. JungakademikerInnen und BerufseinsteigerInnen. Für diese Gruppe, so Anna Schopf, Initiatorin der Plattform Generation Praktikum müssten echte Einstiegsjobs geschaffen und gefördert werden.
FM4 Spezialtag: Praktikum
FM4 widmet sich am Dienstag, 12 .Jänner 2010, dem Praktikum in seinen verschiedenen Facetten:
In FM4 Connected schildern PraktikantInnen ihre Erfahrungen, ExpertInnen klären die arbeitsrechtliche Situation. Wie sieht's mit der Politik aus – gibt's hier Forderungen und Positionen oder herrscht die Ignoranz gegenüber der Generation Praktikum vor?
Die Nummer ins FM4 Studio: 0800 226 996
Die Initiatorin der Plattform „Generation Praktikum“, Anna Schopf, ist von 17 bis 18 Uhr live zu Gast und diskutiert mit HörerInnen.
NGOs und kleinere Initiativen, die ohne PraktikantInnen nicht überleben würden, werden in der FM4 Homebase vorgestellt. Und dort ist auch zu hören, welche Spuren die kollektive Selbstverarbeitung der Generation Praktikum in der Popkultur hinterlässt.
Infos, Rechtsberatung und Förderungen
Wenn sich die Politik auf Castingshows und das Vertagen von Gesetzesanträgen beschränkt, hier gibt es Unterstützung:
- Plattform Generation Praktikum
- Arbeiterkammer
- work@flex: Interessensgemeinschaft für alle atypisch Beschäftigten der Gewerkschaft der Privatangestellten
- AMS-Jugendplattform SchülerInnen
- AMS-Jugendplattform Studierende
- AMS Arbeitstraining: Deckung des Lebensunterhalts bis zu 18,50€/Tag, Dauer: 1-12 Wochen, Voraussetzungen: abgeschlossene Ausbildung oder in Ausbildung, mindestens 16 Wochenstunden, Arbeitslosenmeldung
- AMS Arbeitserprobung: Deckung des Lebensunterhalts bis zu 18,50€/Tag, Dauer: 1-4 Wochen, Voraussetzungen: abgeschlossene Ausbildung, mindestens 16 Wochenstunden, Arbeitslosenmeldung.