Erstellt am: 19. 12. 2009 - 13:31 Uhr

Mythos Weihnachtsfeier

Alle feiern, nur ich nicht! Es ist so ungerecht.

Ach je, jetzt hat man schon über 50 Weihnachtsmärkte in der Stadt, jetzt ist es sogar kalt und ab und zu kommen sogar ein paar Flocken vom Himmel, und trotzdem will keine rechte Weihnachtsstimmung aufkommen. Im Gegenteil, einsam und verlassen fühlt man sich. Denn gerade in diesen Tagen bemerkt der für sich alleine hinwurstelnde Freiberufler mal wieder, wie sehr er im gesellschaftlichen Abseits lebt, welche schweren sozialen Defizite er hinnehmen muss. Es ist so: Alle erzählen von irgendwelchen Weihnachtsfeiern, und man selber ist zu keiner einzigen eingeladen.

rösinger

Geheimnisvolle Welt der Weihnachtsfeier: Manchem bleibt sie ewig verschlossen.

Man hat ja keine Firma, keinen Betrieb. Die Zeitungen, für die man ab und zu einen Text verfasst, laden im Krisenjahr die Freien Mitarbeiter nicht ein, selbst die Partner und Partnerinnen der Festangestellten müssen zu Hause bleiben. Der Wahrheit halber muss ich anfügen, dass FM4 die rühmliche Ausnahme bleibt, die einzige WF –Einladung kam aus Wien - aber der Weg von Berlin war zu weit! Vom Buchverlag hört man erst wieder zum Neuen Jahr was, da kommt eine Karte und ein Kalender. Die Band hält keine Weihnachtsfeier ab und so sitzt man einsam und verlassen am Schreibtisch und stellt sich unter einer Weihnachtsfeier was Tolles vor. Die Zeitschriften sind voll von Ratschlägen für das richtige Verhalten auf der WF: Nicht vollaufen lassen, das im Eifer des Gefechts angebotene "Du" nicht gleich anwenden, am Tag danach erst mal beim "Sie" bleiben. Ach, es ist eine fremde seltsame Welt, die da verschlossen bleibt.

raymon ayala

Spielte auf einer Weihnachtsfeier der Mafia: Latin-Grammy-Gewinner Ramon Ayala, "Der König des Akkordeons."

So lamentierte ich die ganze letzte Woche vor mich hin, bis einige Bekannte mir die Augen öffnen wollten. Eine Weihnachtsfeier laufe immer noch nach dem Muster des Billy -Wilder -Films "Das Appartement" von 1960 ab. Ein Freund, der bei einem geisteswissenschaftlichen Verlag arbeitet, erzählte angewidert wie sein alkoholisierter Chef ein Zettelspiel vorgeschlagen hatte, bei dem unter wieherndem Gelächter eine Liste angefertigt wurde, Thema : "Mit wem aus dem Büro hätten sie gerne mal Sex?" Alles in allem eine furchtbar verklemmt-enthemmte Atmosphäre. "Du kannst froh sein, dass du so was nicht erleben musst!", rief er beschwörend. Fast hätte ich es geglaubt, als am Mittwoch die Nachricht kam, dass Latin-Grammy-Gewinner Ramon Ayala bei einer Weihnachtsfeier der Mafia aufgetreten und vorübergehend festgenommen worden war. Auch die Mafia-Weihnachtfeier endete dann wüst in einer Schießerei mit mehreren Toten - Aber trotzdem: Sogar die Mafia macht Weihnachtsfeiern, alle feiern, nur ich nicht !! Es ist so ungerecht!