Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Some Sort Of Trip, Teil 3"

Susi Ondrušová

Preview / Review

11. 11. 2009 - 14:25

Some Sort Of Trip, Teil 3

Isle of Jura und Bill Drummond.

Während ich das hier tippe, starre ich zwischen den Zeilen auf die Isle of Jura. Ein Fleck aus tausenden Braun- und Grüntönen, der aus einem dunkelblauen Wellenteppich herausragt. Ich sitze in Port Askaig und starre zugegebenermaßen äußerst fasziniert auf den kleinen Hafen. In regelmäßigen Intervallen legt eine Fähre in Port Askaig auf Isle of Islay an und auf der entgegengelegenen Station Isle of Jura wiederum ab.

fm4 ond

Am Ende des Regenbogens findet sich höchstens Asche.

Weiter unten bei der Pferdestatue findet sich die Erklärung zur Bebilderung dieser Story hier. Alle Fotos bis auf Regenbogen und Porridge und Fähre sind übrigens in Glasgow aufgenommen. Auf Isle of Jura gibt es 0,01% soviel Verkehr und Beton wie unten abgebildet.

Die Fähre ist abwechselnd mit bis zu fünf Personenautos oder drei Autos und einem Lastwagen besetzt. Die letzte Fähre um halb acht Abends besteigen dann endlich die ersten Passagiere zu Fuß. Eine Handvoll Jugendliche. Einer davon trägt einen Geigenkoffer. Die formlose Szenerie frei von Abschied und Willkommensszenarien hat was. Ich kann Stundenplänen, Fortbewegungsmitteln und Fahrrouten einiges abgewinnen. Nur einer der Gründe, warum ich schon viel zu lange hier sitze und zwischen den Zeilen auf Isle of Jura starre und den dazugehörigen Wasserstrom, namens Sound of Islay.

fm4 ond

Es war nichts von dem hier geplant, als ich die Woche davor durch Glasgow wanderte. Einen Tag Platten, einen Tag Bücher suchen, so war der Deal. In einem der acht übriggebliebenen "Fopp"-Shops, die von der Übernahme durch HMV visuell verschont wurden, sackte ich Tony Wilsons "24 Hour Party People" für 2 Pfund ein, weiter nach Westend, um zwei kleine Gebrauchtläden aufzusuchen, dann ab in den Süden um zwei Stunden lang im Oxfam Kilos anzusammeln, ich hatte danach nichts gegen einen alphabetischen Wegweiser, also sollte eine Waterstones Filiale die letzte Station werden. Dort lag Bill Drummonds Memoirensammlung "45" rum. (Dass ich eine Woche später das Buch in der schon mal aufgesuchten Fopp-Filiale - frisch am 2 Pfund Stapel aufdrapiert - entdecken sollte, das bedeutet gar nichts.)

fm4 ond

In "45" kommt Isle of Jura nur in Nebensätzen vor. Im August 1994 hat die K Foundation aka Bill Drummond und Jimmy Cauty, in Begleitung ihres Kameramannes, Videokünstler Gimpo, und einem Freund und Observer-Journalisten namens Jim Reid eine Million Pfund verbrannt.
Die ganze Aktion an sich war ein langwieriger wenn nicht ein langweiliger Akt: das Verbrennen von 50-Pfund-Noten in einem Bootshaus an einem Ort, der laut mündlicher Überlieferung auch noch willkürlich ausgesucht wurde. Isle Of Jura kann sich damit rühmen, dass George Orwell hier Teile von "1984" verfasst hat. Drummond hegt nicht nur eine große Vorliebe für die schottischen Inseln, sondern ist auch von Numerologien (Primzahlen im speziellen) fasziniert, aber diese Symbolik ist womöglich zu weit hergeholt. Jemand hat einfach einen Strich gezeichnet - wie damals, als Drummond in Manager-Funktion Echo&The Bunnymen auf Tour schickte, deren Routenverlauf die Kontur eines Hasenohres darstellte – wahrscheinlich hat die K Foundation allerdings einfach nach Abgeschiedenheit gesucht.

fm4 ond

Interessanter als jenes Verbrennen von Geldscheinen ist allerdings die Geschichte, die sich abgespielt hat bevor Jimmy Cauty die Idee aufwarf, das mit der Musik von KLF verdiente Geld zu verbrennen. Eine Serie von Arbeiten sollte unter dem Titel "Money: Major Body Of Cash" ausgestellt werden. Installationen aus z.B. an ein Brett genagelten Banknoten. Der Preis für die Objekte sollte die Hälfte vom Wert der dafür verwendeten Banknoten betragen. Mit der Idee wurde auch der Beipackzettel präsentiert: "The precise point at which the artistic value will overtake the face value is unknown. Deconstruct the work now and you double your money. Hang it on a wall and watch the face value erode, the market value fluctuate, and the artistic value soar. The choice is yours."

Die Suche nach einem Ausstellungshaus blieb monatelang erfolglos. Die Banknoten der – wenn man Erfolg nach Öffentlichkeit misst – misslungenen "Major Body Of Cash"-Arbeiten, wurden schließlich im kleinen Kreis in einem Bootshaus auf dieser Isle Of Jura verbrannt. Darauf folgte eine Tour, auf der Gimpos Video von der Aktion gezeigt wurde und schließlich im Oktober 1995 die Unterzeichnung des Versprechens, die Aktivitäten der K Foundation für die nächsten 23 Jahre ruhen zu lassen.

fm4 ond

Ich muss zugeben, dass ich eben eine perfekte Aufführung in der dramaturgisch lebensnotwendingen Regieanweisung "lauthals lachen" hinter mich gebracht habe. Für die Möwen, den Hafen und diese temporären vier Zimmerwände. Eine Million Pfund verbrennen! Die perfekteste Kunstaktion EVER. Man kann bei dem Gedanken nur erahnen, wie sich andere Kunstfreunde gefühlt haben, als z.B. Duchamp den Flaschentrockner aufgetischt hat. Es geht doch immer um die Perspektive und dieser Jimmy Cauty und dieser Bill Drummond, das sind multiple Talente im Perspektiven entdecken, beleuchten, aufzeigen, in Relation setzen und dokumentieren. Das beste, was einem natürlich mit KünstlerInnen passieren kann: wenn ihr Sprachbewusstsein größer ist als ihr Ego. Wenn sie eloquent sind. Okay, wenn sie - wie über die K-Foundation gesagt wird - wissen, wie man mit Presse umgeht. Sprich auch: wenn das was produziert und mitgeteilt wird, in einer verständlichen Sprache passiert und nicht im Aufwasch der künstlichen Übertheorie-Keule. Die kann auch spannend sein, keine Frage, aber wer lieber Punkte als Fragezeichen streuen will, wird eben keine Million Pfund verbrennen wollen. Und die K Foundation wollte! Again: lauthalses Lachen. Uns war kalt. Boohoo. Oder: "A long time ago, we realised that everybody wanted us to have the smart answer, and we felt we owed it to people, especially our families, to have this. After a while, we realised that whatever answer we came up with would not be good enough. It was more for other people to take from it whatever they wanted, whether it be 'they obviously didn't do it' or 'it's a terrible thing' or whatever. It's for other people to explore."

fm4 ond

"Burning the million pounds was not about self-sacrifice, it was more about turning what a million pounds has symbolized throughout our life on its head", antwortet Drummond in "45" einem serbischen Kunststudenten, den er im Zuge der "Watch the K Foundation Burn A Million Quid"-Tour trifft. In "45" erzählt Drummond vom Besuch der K Foundation in Serbien, bei DJ Fleka von Radio B92 und von Robbie Williams´ Fast-Gastspiel bei der Aufzeichnung von "The Magnificent" auf der 1995 Compilation "Help".

fm4 ond

Es gibt einige Wege zum leichteren Verständnis der Schandtaten der K Foundation aka warum es Sinn macht bei einer Aftershow Party der Brit Awards im Jahr 1993 ein totes Schaf zu positionieren.
Eckdaten, die zur K Foundation geführt haben, können nachgelesen werden in der Geschichte des Situationismus, Diskordianismus, also Robert Wilsons Illuminatus-Triologie. Auch "The Manual: How To Have A Number One The Easy Way" ist eine spannende Lektüre, man muss ja das Edelweiss-Album nicht gleich dazu kaufen.
Immer nachgehört werden können allerdings die Produkte von Justified Ancients of Mu Mu, The Timelords oder KLF. Falls man beim Lesen von "45" gerne die dazugehörigen Melodien hätte.

fm4 ond

"45" dokumentiert auszugsweise, was Bill Drummond widerfahren ist, bis oder als er das Alter von 45 Lebensjahren erreicht hat. Das Buch ist neben aufschlussreich hauptsächlich witzig. Mit einer sympathischen Urgenz verfasst, die jede autobiographische Last von sich weist: "I´ve got about an hour to set down this story. If I wait any longer before I write it down I will forget all but mere facts!" beschreibt Drummond im Kapitel “Christmas Carol”. Jene Geschichte über das letzte Screening von "Watch the K Foundation Burn A Million Quid", als Drummond und Cauty mit ihrem "letzten" Geld einen überdimensionalen Würfel aus 6.250 Dosen Tennent-Super zusammengegafft haben und schließlich versucht haben das Bier an Londons Obdachlose zu verteilen. Die längere Version im Buch liest sich natürlich besser. Unter anderem enthält sie die zwei wichtigsten Sätze zum besseren Verständnis des Bill "cultural magician" Drummond. Erstens: "It often happens with Jimmy and me that we try to cram too many things into one event, one record, one lifetime" und zweitens: "A cube, the perfect symbol of modernism."

fm4 ond

Weitere Geschichten handeln vom Tag als Tammy Wynette versuchte "Justified & Ancient" neu einzusingen, vom Tag als Bill Drummond den Künstler Richard Long nicht getroffen, dafür aber eingekauft hat, vom Beginn der Suppen-Aktion oder seinem "Modern Life", Drummonds routiniertem Weg ins Café, in die Bibliothek und ins Einkaufscenter, während er akribisch alle "public notices" aufzeichnet, die ihn bis zurück nach Hause begleiten. Von "Smile you are on cctv" bis "Welcome To Friars Square Shopping".

fm4 ond

Bill Drummond ist mittlerweile schon seit 11 Jahren nicht mehr 45 und verfolgt seit 2006 ein Konzept das er mit "The17" zusammenfasst und auch mit einem Buch dokumentiert. Grundsätzlich soll es darum gehen, dass die Tage der "aufgenommenen Musik" gezählt sind: "Recorded music as a whole is part of the 20th Century. It has run its course. As a medium it is dead!" Der 17-Chor soll aus 17 Mitgliedern bestehen, die gleichzeitig auch das Publikum sind, der Chor singt u.a. fünf verschiedene Töne á fünf Minuten. Dokumentiert oder aufgezeichnet wird nicht. Die Motivation hinter dem Orchester kann man selbstverständlich auch als Statement zur endgültigen Langeweile deuten, die der aktuelle Musiküberfluss in Bill Drummond hervorruft: "I want to hear music that I have never heard the likes of before. Music that goes straight to the heart while engaging the brain & the sense that everything is possible!" Ein guter Satz.

Grauer Nuller und Neuner, Logo von Linz 09

linz 09

Linz 09

Absurderweise war "17" in keinem der von mir aufgesuchten Buchgeschäfte in Glasgow lagernd, bis ich wieder mainland erreicht habe, sollte die Lieferung eingetroffen sein, damit ich es rechtzeitig vor Bill Drummonds Österreich-Visite auslesen kann. Ich könnte mir das Buch auch signieren lassen, wenn Drummond im Zuge der "Hörstadt"-Aktivitäten die Kulturhauptstadt Linz besucht und auch einen Abstecher nach Wien macht, um weiter über den No Music Day zu sprechen. Und vielleicht darüber, ob der iTunes Store nun an diesem Feiertag der heiligen Cecilia dem 21. November seine Pforten für 24 Stunden schließen wird. Ich glaube leider nicht, eher wird an dem Tag der Beatles Backkatolog online zum Verkauf gestellt.
In "45" steht außerdem, Drummond gibt nur Handdrücke statt Signaturen.
Nichts für die Ewigkeit.
Ich kann damit leben.

fm4 ond