Erstellt am: 24. 10. 2009 - 13:22 Uhr
Ist Autos abfackeln politisch?
Letzte Woche haben in Berlin wieder drei Autos gebrannt, 230 waren es seit Jahresbeginn. 403 Brandanschläge insgesamt zählt die Webseite brennende-autos.de. Zu den Anschlägen haben sich autonome Gruppen bekannt, ihr Abbrennen von Luxuswagen richtet sich gegen "Stadtumstruktrierung und Gentrifizierung". Das hat natürlich auch politische Folgen. Die Opposition klagt, dass die rot-rote Regierung aus SPD und Linken in Berlin nicht genug gegen Linksextreme tun und die Polizeigewerkschaft beobachtet gar eine "Renaissance des linken Terrors". In der "taz" wird die Diskussion geführt "Ist Autos abfackeln politisch?"

christiane rösinger
Contra sind natürlich die Politiker: "Brandstiftung ist kriminell", sagt unser Bürgermeister, "und wer Luxuswohnungen in seinem Kiez verhindern will, ist intolerant, denn in einer weltoffenen Metropole kann jeder wohnen wo er will." Hier irrt der Bürgermeister allerdings, denn wenn Luxuswohnungen wie die umstrittenen Carlofts - das sind Appartments mit eigenem Auto-Aufzug - gerade in einer der ärmsten Straßen Kreuzbergs gebaut werden, befürchten die Anwohner zu Recht , dass sich durch diese "Aufwertung" die Gegend verändert, die Mieten steigen und die Bewohner verdrängt werden.

carloft
Anhaltende Farbbeutelwürfe und ein paar brennende Autos vor dem Objekt haben nicht nur zu ständiger Polizeipräsenz und Überwachung geführt, sondern auch dazu, dass bisher nur zwei der elf 1,5 Millionen teuren Wohnungen verkauft wurden - ein großer Flop, vielleicht aber auch dank der Finanzkrise. Aber die Geschichte Kreuzbergs zeigt, dass ein wenig Militanz zur rechten Zeit die Lebensqualität im Kiez gewährleistet. Ohne Hausbesetzerbewegung und militanten Widerstand verliefe jetzt eine Autobahntrasse längs der Oranienstraße, hätte der Senat seine Pläne zum Totalabriss ganzer Straßenzüge Ende der Siebziger verwirklichen können.

graffiti
Aber so richtig fürs Zündeln will sich auch keiner aussprechen, für linke Politwissenschaftler und Attac-Aktivisten ist Gewalt gegen PKWs kein emanzipatorischer Akt, aber immerhin ein Zeichen dafür, dass die Menschen nicht alles schlucken. Die meisten, auch die eher links denkenden Berliner halten brennende Autos dagegen für hirnlosen Vandalismus, unökologisch und wirkungslos. Schließlich sind die Luxuswagen selten unterversichert, eine Solidarisierung der werktätigen und erwerbslosen Massen bleibt aus, und die Konservativen können wieder sagen, die linke Bewegung bestehe nur aus Randalierern.
Auch in der neueren deutschen Popmusik wird das Thema verhandelt. Das Video von Jochen Distelmeyers Song Wohin mit dem Hass? spielt mit Motiven von Straßenkampf und Gewalt. "Kennt ihr die Reichen und Mächtigen? Lasst ihre Wagen brennen", heißt es darin. In Interviews nimmt der Sänger diese Aufforderung allerdings wieder zurück, anders als Jan Delay, der brennende Autos auch als Mittel zur Agitation akzeptiert.
Die Goldenen Zitronen hingegen dokumentieren in dem Song "Bloß weil ich friere" die ambivalente Haltung des Durchschnittslinken: "Ich halte brennende Autos für ein starkes Ausdrucksmittel, getraue mich aber keines anzuzünden,da ich viele Freunde habe,die eine Beschädigung ihres Autos für einen Angriff auf ihre Persönlichkeit halten würden".