Erstellt am: 6. 10. 2009 - 12:10 Uhr
Rolling News
Diese kleine Geschichte wurde vor fünf Tagen im Zug zum Flughafen geschrieben. Dann ging der Akku aus, und ich war 48 Stunden unterwegs in einer anderen Stadt in einem anderen Land mit anderen Steckdosen.
Als ich wieder heimkam, war ich eigentlich völlig fertig, musste aber noch dies und das und jenes und noch dazu meine gestrige Sendung machen.
Loswerden wollte ich das hier aber trotzdem, auch wenn es schon fünf Tage früher gesagt werden hätte sollen. Also:
Ich nehme an, denen unter euch, die gern malen, wird das Problem bekannt sein. Die Mischungen sind angerührt, der Pinsel fühlt sich gut an, es geht was weiter.
Leider ist es auch schon zwei in der Früh, dann drei, und je mehr weitergeht, desto mehr tut sich auf.
Letzte Woche war ich in Leytonstone auf der Suche nach einem Linkshänder-Gitarrengeschäft, das ich vor 12 Jahren zum letzten Mal besucht hatte. Das ist da drüben in der Gegend, wo 2012 die Olympischen Spiele stattfinden sollen.
Das Stadion war bereits im Rohbau zu sehen, und der Eingang zum Olympischen Dorf hat schon seine eigene Security, sogar die versprochene urbane Regeneration ist bereits sichtbar: Der schöne neue Bahnhof und gleich daneben das entstehende, gigantische Shopping Centre - ja, was denn sonst?
Das Gitarrengeschäft war jedenfalls nicht mehr zu finden, weil erst übersiedelt, dann zugesperrt wie so viele andere Läden in diesem Armutsviertel, wo das Postamt einen mit dem Schild "Smile - You're on camera" empfängt und einem beim Spaziergang auf der High Road nur verstreute Häufchen verfilzter Alkoholiker Gesellschaft leisten.
Ein Shopping Centre ist genau, was die Gegend braucht.

Robert Rotifer
Ich bin einer der Typen, die gern am Boden kniend pinseln. In Hörweite läuft dabei nicht selten der News-Kanal der BBC. So war das zumindest vorgestern (mittlerweile vorvorvorvorvorvorvor...., Anm.) nachts.
Und zwangsläufig kommt dann der Zeitpunkt, wo man das repetitive Repertoire regelmäßig rotierter Reports schon auswendig kennt. Jede milde Pointe, jede frustrierende Halbinformation, jede bis zur Fusseligkeit frottierte Floskel, das verwirrte, schlafgestörte Extemporieren des an all dem eigentlich gänzlich uninteressierten Moderators.
Mein Lieblingsfeature jener vermalten Nacht war der Beitrag über den britischen Nachwuchs für die Paralympics 2012. Nach dem Erfolg bei den letzten Bewerben in Beijing, wo Großbritannien den zweiten Platz in der Medaillenrangliste errang, werde nun vorausgedacht, hieß es da.
China und die USA hätten nämlich "einen erheblichen Startvorteil", sagte die Reporterin, ganz ohne Anflug von Ironie, weil die so viel mehr registrierte Behinderte hätten als Großbritannien.

Robert Rotifer
Glücklicherweise haben sich die Briten jetzt aber was überlegt: In Afghanistan werden britische Soldaten andauernd von Landminen und anderen Sprengsätzen verstümmelt. Wenn sie dann mit ein, zwei, drei oder vier Gliedmaßen weniger zurück nach Hause kommen, sind sie immer noch fit, durchtrainiert und auf der Suche nach einem neuen Sinn im Leben.
Einer Zweitkarriere als Paralympionik steht nichts mehr im Wege, alles, was sie brauchen ist jemand, der sie für das Team GB rekrutiert.
So muss man das also sehen, was in Afghanistan passiert. Nachwuchspflege für 2012.
Und Dank der hohen Jugendarbeitslosigkeit sind in jüngster Zeit 25% mehr junge Rekruten zur Armee gestoßen als in der Zeit vor der Krise.
Keine Satire ist so derb und zynisch wie die Realität.