Erstellt am: 19. 9. 2009 - 19:22 Uhr
Der beste Sci-Fi Roman derzeit
Hack ist im sogenannten normalen Leben IT-Journalist. Eines Tages verschlägt es ihn beruflich in die Schweiz, und der Bewältigung dieses Aufenthalts verdanken wir dieses Buch. "ZRH", so wie das Kürzel des Zürcher Flughafens auf den Gepäcketiketten. Dieses Buch ist ungefähr 10.000 Mal besser als dieser simplistische "das kommt von das" Einführungsabsatz.
Am Ende
"Hast du die letzten Bilder gescannt?"
"Alles ist fertig. Alles. 3.561 Aldi-Filialen."
(...) Wer soll das kaufen? Wer soll das sehen wollen?
Es sieht alles, alles gleich aus. Dreitausend Giebeldächer, dreitausend Parkplätze, dreitausend neonbeleuchtete Logos. Man kann da vielleicht schon was hineininterpretieren, sehr viel sogar. Aber da ist nichts.
aldi
Das erzählende Ich ist namenloser Fotograf, körperlich wie finanziell am Ende. Er sucht einen Käufer für sein letztes Projekt, macht sich auf nach Zürich, um einen Sammler zu treffen. Man habe Interesse, heisst es dort, aber bevor man das Geld überweisen wolle, solle der Fotograf für den Sammler einen anderen Deal einfädeln: Es gibt da jemanden, der den Film aus der Kamera, die Schauspieler Peter Hemmings beim Dreh zu Antonionis "Blow Up" benutzt hat, zum Kauf anbietet.
Was bis dato der Roman eines Altmännerherzens, eines Burnouts, einer Midlifecrisis war, wird nun plötzlich zu einer satirischen Weise von Ökonomie und digitaler Welt.

svp
Zürich, near future
Immer noch quietschen alte Strassenbahnen durch Zürich, immer noch reden alle nur über Krankenversicherung, Müllsäcke und Steuern ---
aber Günter Hack zeigt uns die Schweiz verändert.
Ein Land, das unrentable Kantone vermietet und damit Flüchtlingsdramen im eigenen Land auslöst, das die Ehe mit unbelebten Gegenständen erlaubt und in dem Körpermakler Körper für Körperasylanten beschaffen. Aber das ist nicht die einzige Neuerung am Arbeitsmarkt.
Milos ist buddhistischer Turnschuhverkäufer und seit kurzem Konsul der Bundesrepublik Deutschland. Er betreibt eine kommerzielle Kleingesandtschaft, ein Mikrokonsulat in den Räumlichkeiten des Zürcher Adidas-Flagship Store. Die abteilung, in der ich mir einen Bio-Pass machen lassen kann, heisst "Identity Shop", was viel zu unverbindlich klingt. (...) Milos hat eine Kundin in den Look "Bitch do Brasil" gekleidet, gelbe, grüne Fetzen, ordem e progresso, 1.800 Franken. Jetzt kommt er zu mir. (...) "Du kaufst hier nichts", vermutet er, gibt mir die Hand, lässt sie los. "Du willst was vom Identity-Shop." Ja, genau. "Ich brauche einen Bio-Pass", sage ich und grinse. Das wird teuer. Mit Blutabnahme. Gebt mir eure Leukozyten, eure Kapillarscans, eure genetischen Profile. Danke. Wir gehen in einen Nebenraum, in dem nur ein einzelnes Gerät steht, die Identity Machine. An der Wand ein schwarzweisses Porträtfoto, eines von Adi Dassler, wie die Bildunterschrift verrät.

neo rauch
Kurz darauf ist die "schwarze Zunft" a.k.a. das Böse, ebenfalls hinter dem Antonioni-Film her. Bald fühlt man sich genauso neben der Spur wie das Erzähler-Ich, immer abgründiger zeichnet Hack diesen Nachtmahr von Schweiz. Und es kommt alles anders, als man denkt.
Lesung
Günter Hack liest aus seinem Buch "ZRH"
am Montag, 21. 9. 2009, 20.30h,
in der Buchhandlung/Café
Phil, Gumpendorferstrasse 10, Wien VI.