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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

23. 8. 2009 - 22:03

The Fall of the Freesheet

Rupert Murdoch schließt Thelondonpaper, seine News Corporation schreibt neuerdings Verluste. Zum Untergang ist das Imperium aber noch lange nicht bereit.

Ich kann es ja selbst kaum glauben, aber es ist schon mehr als drei Jahre her, seit ich über den in London ausgebrochenen Krieg der Gratisabendzeitungen berichtet hab - wie hier nachzulesen.

Thelondonpaper von Rupert Murdoch (News International, i.e. der britische Arm der globalen News Corporation, i.e. The Times, The Sun, News of the World, Sky TV etc.) versus LondonLite, gewachsen aus dem Standard Lite als Ableger des Evening Standard (Associated Newspapers bzw. die Daily Mail und das Gratismorgenblatt Metro), so standen seit damals jeden Nachmittag die Fronten im Wettbewerb der Kolporteure auf Londons Straßen.

Schlagzeile: Gambling Brown Is A Drunk

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Dieser Krieg ist nun gelaufen, nur einer der beiden bleibt über. Gewinner gibt es trotzdem keinen. Lasst mich versuchen zu erklären:

Wie der Guardian neulich hämisch verkündete, hat Rupert Murdoch mit Jahresabrechnung Ende Juni gegenüber dem Vorjahr eine Kürzung seines Einkommens um 28 Prozent auf bloß knappe 20 Millionen Dollar hinnehmen müssen. Schuld daran sei ein 3,4 Milliarden Dollar-Verlust seines Konzerns wegen sinkender Werbeeinnahmen, unter anderem bei der teuer erworbenen Web 2.0-Plattform Myspace.

Verluste in zweistelliger Millionenhöhe

Das allein wäre schon ein äußerst spannendes Thema, schließlich behaupte ich beharrlich, dass die großen Social Networking Sites sich an der Freebie-Kultur des Internets bald genauso die Zähne ausbeißen könnten wie die Musikindustrie und die Printmedien (siehe in diesem Zusammenhang auch die Verabschiedung des Gründertrios von last.fm durch den frustrierten Eigentümer CBS).

Schlagzeile: Teen Gang Wars: 2 Dead in 3 Hours

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Aber für einen wie Murdoch, der bei Myspace bereits hunderte Jobs abgebaut hat, ist der Verkauf von Nachrichten, wie wenig seriös auch immer, nach wie vor das Hauptgeschäft und daher auch die Hauptsorge.

Jetzt, wo der 78-jährige australische Mogul es in der eigenen Tasche zu spüren beginnt, hat sich der Spaß mit dem Verschenken von Zeitungen schnell aufgehört. Thelondonpaper wird ab Mitte September nach bloß drei Jahren Bestehen eingestellt, die für so ein Unternehmen ohnehin lächerlich kleine Belegschaft von 60 MitarbeiterInnen kann gehen (Kolporteure nicht mitgerechnet). Die von Inseraten lebende Gratiszeitung machte Verluste in zweistelliger Millionenhöhe.

Schließlich lebte das Blatt – genauso wie sein Konkurrent London Lite – zur Zeit seiner kurzen Blüte vor allem von Immobilienanzeigen im großen Stil. Und genau dieser Markt hat unter dem sogenannten Credit Crunch besonders schwer gelitten.

Schlagzeile: Credit check calamity

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Zyniker werden entgegenhalten, dass Thelondonpaper für Murdoch einfach schon seinen eigentlichen Zweck erfüllt hat: Immerhin hat der Blätterkrieg seine Gegenspieler derart belastet, dass Associated Newspapers den zwischen beiden Freesheets zerbröselten Evening Standard an den russischen Milliardär Alexander Lebedev abstoßen musste.

Andererseits haben die omnipräsenten Gratiszeitungen das Publikum ans Nichtbezahlen gewöhnt, und genau das macht die News Corporation zusehends nervös, nicht nur in London, nicht nur im Printsektor, sondern vollem in der Online-Präsenz seiner Nachrichtenmedien.

Der Dirty Digger als selbsternannter Retter des Journalismus

Anfang August meldete sich Murdoch in seiner neuen Rolle als selbsternannter Bewahrer des Qualitätsjournalismus mit der kühnen Ankündigung zu Wort, die Websites seiner Zeitungen würden ihren LeserInnen ab nächstes Jahr Gebühren für Stories verrechnen.

Schlagzeile: Fritzl made me act out porn films

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Wie das im Zeitalter von Copy-Paste bzw. Screenshots funktionieren soll, verriet er zwar nicht, doch wie Ende letzter Woche bekannt wurde, verhandelt die News Corporation bereits mit der New York Times und der Washington Post über einen konzertierten gemeinsamen Schritt zur Einhebung von News-Gebühren im Netz.

Man kann dies als den hoffnungslosen Rundumschlag eines vom Lauf der Zeit überrannten, vielleicht schon grenzsenilen alten Konzernherrschers sehen, der sein Lebenswerk dahinschrumpfen sieht.

Andererseits, einmal naiv gefragt: Ließe sich das Kopieren urheberrechtsgeschützter Nachrichtenmeldungen eigentlich nicht ähnlich nachverfolgen, strafverfolgen (oder blockieren) wie etwa Plagiate in akademischen Arbeiten?

Wenn ja, dann wäre ein Fortbestand im Netz munter zirkulierender Gratisnews vielleicht doch nicht so unaufhaltsam wie gedacht, sondern letztendlich eine Frage des politischen Willens.
Und was den anlangt, ist Murdochs Macht - zumindest, aber bei weitem nicht nur in Großbritannien - auf keinen Fall zu unterschätzen.