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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

14. 8. 2009 - 17:40

Excalibur des Punk

Randbemerkungen zum Tod von Les Paul, dem Miterfinder der E-Gitarre, und dem Instrument, das seinen Namen trägt.

Eigentlich gibt es dem, was die blauen ORF-Seiten für die Erwachsenen gestern zum Tod des E-Gitarren-Pioniers Les Paul geschrieben haben, eh nichts hinzuzufügen.

Außer vielleicht der einen oder anderen Randbemerkung.

Ich bin sicher nicht der einzige, der einst seine Schulhefte und -bücher mit Skizzen klassischer E-Gitarren-Modelle vollzukritzeln pflegte. Die Les Paul war dabei immer am leichtesten hinzukriegen, weil irgendwie am Schlüssigsten geformt.

Aber seien wir uns ehrlich, in den letzten Jahren der neu aufgewärmten schrubbeligen Post-Punk-Sounds war sie mit ihrem zu diesem Zweck äußerst unpassend fetten, wenig perkussiven Sound nicht so wirklich in Mode.

Das ist mir erst diesen Sommer bei den Blur-Gigs im Hyde Park aufgefallen, als Graham seine alte Les Paul ohne Schlagbrett und dann eine neu erworbene Gold Top auspackte und damit seine butterweichen Mittneunziger-Riffs aus „There’s No Other Way“ oder „For Tomorrow“ spielte. Im Programm der davor aufgetretenen Foals wäre eine Les Paul ein völliger Fremdkörper gewesen, genauso wie einst etwa, sagen wir, bei den Talking Heads (übrigens ein gutes Listenspiel für lange Bahn- oder Autoreisen: Bands, die nie und nimmer Les Pauls verwendet hätten).

The Guit of Destiny

Dabei, und das wollt ich nun eben doch noch anbringen, ist gerade dieses immer schon ziemlich teure Instrument ja heimlich eine der Gitarren des Punk. Und die Geschichte dazu hört sich ein bisschen so an wie der Mythos des Excalibur.

Ich weiß ja nicht, ob die im Film „The Filth And The Fury“ verbreitete Legende stimmt, dass Steve Jones von den Sex Pistols in den Mittsiebzigern jene Les Paul von Mick Ronson filzte, an der David Bowie vor seinem Gitarristen kniend Fellatio zu simulieren pflegte.

Mehrfach verbrieft ist aber die Geschichte, wonach Malcolm McLaren 1975 von seinem New Yorker Abenteuer als Manager der New York Dolls mit der weißen Les Paul von deren Rhythmus-Gitarristen Sylvain Sylvain im Gepäck nach London zurückkehrte, wo er sie – wie Jon Savage in „England’s Dreaming“ so schön schreibt – „diskret“ dem rotzigen West-Londoner Tunichtgut Steve Jones in die Hand drückte, auf dass jener bei den Sex Pistols sozusagen das Ruder übernehme.

Folglich ist die Gitarre, die wir auf „Never Mind The Bollocks“ hören, exakt dieselbe wie die (neben der von Johnny Thunders) auf den Alben der New York Dolls-Originalbesetzung.

In anderen Worten: Das Szepter, das Schwert, die Fackel, der Kochlöffel des amerikanischen Proto-Punk wurde über den Atlantik weitergereicht und brachte dort den britischen Punk zum Klingen.

Ist doch eine schöne Geschichte.

Ich selber hab mir ja auch Anfang der Neunziger von meinem Freund und damaligem Bandkollegen Yogi Rokita eine Les Paul aus New York mitbringen lassen. Linkshändig natürlich.

Des Autors Les Paul Custom Sunburst Twentieth Anniversary Edition

Robert Rotifer

Meine geschundene Paula, Twentieth Anniversary Edition

So wie viele ihrer Schwestern hat sie sich einmal schon den Hals gebrochen. Das ist ihre schwache Stelle. Und schwer ist sie, sehr schwer. Außerdem neigt die G-Saite gern dazu, ein bisschen verstimmt zu klingen, was – wie ich mir versichern hab lassen – scheinbar mit der grundsätzlich nicht ganz perfekten Geometrie dieser berühmten Gitarre zu tun habe.

Aber vielleicht ist das auch nur ein Mythos. Andererseits spricht das wunderschön eiernde Riff in „Ziggy Stardust“ ja schon sehr für die Theorie.

Meine Lieblings-Les Paul-Sounds sind jedenfalls nicht der übermächtige von Jimmy Page, schon gar nicht der hyperfette von Slash, ja nicht einmal der leicht angezerrte von Pete Townshend oder der präzise gedoppelte von Steve Jones, sondern die immer knapp am Irrweg vorbeilaufenden Fills von Mick Jones bei The Clash oder die nasalen Blues-Lines und Boogie-Riffs in Marc Bolans laszivsten Momenten bei T-Rex (siehe „Life’s a Gas“ bzw. „Get It On“).

Aber die Geschmäcker sind ja nie die gleichen und ließen sich demnach wunderbar hier im Forum ausdiskutieren.