Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Afrika, wie geht's mit dem Schmerz? "

Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

29. 7. 2009 - 11:32

Afrika, wie geht's mit dem Schmerz?

Mit gestohlenem Titel und ohne Anspruch auf Vollständigkeit gibt es im heutigen Open Mike (0-1) musikalische Antworten auf diese Frage.

Open Mike
Die "Carte Blanche" für FM4 MitarbeiterInnen, die sonst nicht, selten, oder in anderen Funktionen am Sender zu hören sind.

Die bisherigen Open Mike-Sendungen im Überblick

Die nächsten Termine:

  • Anna Katharina Laggner (29. Juli)
  • Hannes Duscher/Robert Zikmund (5. August)
  • Robert Glashüttner/Burstup (12. August)
  • Alexandra Augustin/SophiaWeyringer (19. August)
  • Erika Koriska/Markus Keuschnigg (26. August)
  • Roli Gratzer (2. September)
  • Alexandra Augustin/Christian Pausch (9. September)

Mitten am Flugfeld am Flughafen von Algier türmt sich ein Haufen Koffer, Rucksäcke und gewebte Sackerl zwischen zwei Flugzeugen. Bei jedem Flugzeug steht ein Mann und schreit.

Der eine: Niamey!
Der andere: Bamako!

Niamey, Bamako, Niamey, Bamako, unter den dröhnenden Turbinen der Flugzeuge.
Ich will nach Niamey. Ich suche im Gepäckhaufen meinen Rucksack. Ich bringe ihn zum Flugzeug, steige ein, frage noch zig Mal ob ich mich im richtigen Flieger befinde. Niamey? Niamey.
Ich bin weiß, aber ich will in Afrika trotzdem nicht gleich alles falsch machen.

In Niamey wartet meine Freundin Cilgia aus der Schweiz auf mich. Wir landen ins Schwarze, Niamey ist die Hauptstadt vom Niger, nachts gibt es kein Licht. In der Wartehalle auch alle schwarz. Vier Männer kommen auf mich zu – Bonjour Anna, ça va? - sagen, dass die Buschtaxis streiken und Cilgia in der Wüste bleibt.

Sie fragen mich, wie es meiner Familie geht, sie fragen, wie es mir mit dem Hunger geht, sie wollen wissen, wie es mir mit der Müdigkeit geht, sie fragen mich...

eine staubige strasse in niamey, im rechten vorderen bildrand sieht man eine vermummte frau von hinten

Siegfried Woeber

... Wie geht´s mit dem Staub?

Ich mache es richtig. Ich sage "Merci, ça va". Am nächsten Tag mache ich es noch richtiger. Ich frage zurück. Nach drei Monaten in Westafrika geht mir das Begrüßungsritual locker von den Lippen.

Gefragt wird nach allem, was das alltägliche Leben bestimmt:

Wie geht’s mit dem Hunger?
Wie geht’s mit dem Staub?
Wie geht’s mit dem Schmerz?

So wie ein simples Hallo: Wie geht’s mit dem Schmerz?

Der französische Dokumentarfilmer Raymond Depardon hat sich dieser Begrüßungsformel als Filmtitel bedient:"Afriques, comment ça va avec la douleur?, Afrika, wie geht’s mit dem Schmerz?" Depardon ist alleine einige Jahre durch sämtliche Länder Afrikas gereist, hat seine Kamera aufgestellt und 360° Aufnahmen gemacht, was ihm so unterkam. Dazu spricht er einen Kommentar, wobei er weniger die Bilder kommentiert, als sich selbst und was mit ihm auf dieser Reise geschieht.

Ich habe Depardon den Titel gestohlen, den er den Westafrikanern gestohlen hat. Aber statt der Bilder möchte ich hören, wie es Afrika mit dem Schmerz geht, mit dem Hunger, mit dem Staub, wie der Familie, wie den Kindern.
Diesen Schmerz, so ernst muss man ihn auch nicht nehmen.
"Dritte Welt," sagt der südafrikanische Poet Odidi und lacht laut, "dritte Welt, das bedeutet, dass wir in Johannisburg einen ganz neuen Flughafen haben, aber für die Trolleys nicht zahlen müssen."

Die größte Überlebensgeschichte erzählt der Rapper K´Naan. Er ist mit 14 Jahren aus der Bürgerkriegshölle in Somalia nach Harlem geflüchtet und lebt heute in Toronto. Sein Thema ist sein Trauma: das Scheitern am Frieden, die Freundin, die im Krieg stirbt, K´Naan vermischt Morden mit Lachen, er fragt, ob alle ihre Pässe und Impfzettel dabei haben, denn die Reise geht nach Afrika - "in the city we call doomsday".

Es wird ruhig und worldmusikalisch, wenn Mali´s Diva und Menschenrechtsaktivistin Oumou Sangaré über das ewige Leiden der Frauen singt. Es wird ein Mischmasch aus House, Buschtrommeln und unverständlichen Lauten, wenn der südafrikanische DJ Dino Moran an der Reihe ist, es kommt 70ies Afrodance-Stimmung auf, wenn ich meine "African Scream Contest" Platte auflege, "Aids-Mabulu" aus Mosambique wird auf die Tränendrüse drücken, der Live-Mitschnitt des Konzerts "A town called Addis" vom Glatt&Verkehrt Festival wird vielleicht eine Überraschung.

In Afrika gibt es so viele Länder und in diesen Ländern ist so viel Musik als dass hier irgendeine Art von Vollständigkeit herrschen könnte. Ich nehme es eher mit der Begrüßung und erkundige mich in einem oberflächlichen Rundumschlag wie es denn mit dem Schmerz so geht.

Open Mike

Afrika wie geht's mit dem Schmerz?
Mittwoch, 29. Juli 2009, 00-01

artist song  
K´Naan T.I.A (Somalia)  
K´Naan Smile  
Les Volcans de la capitale: Oya Ka Jojo (Benin)  
Oumou Sangaré Magnoumako (Mali)  
Intik On est ou la? (Algerien)  
Dub Colossus & Sintayehu A town called Addis (Äthiopien) (Live Mitschnitt Glatt&Verkehrt)  
Mabulu Aids-Mabulu (Mosambique)  
Third World Bunfight & DJ Dino Moran House (Südafrika)  
Daara J featuring Rokia Traoré Le Cycle (Senegal/Mali)  
Bonga Nganga Ngonga (Angola)