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28. 7. 2009 - 17:13

Reggae, mon!

Roots, Riddims und Respect am Sumfest 2009 in Montego Bay, Jamaica.

Stephan Tumler

Stephan Tumler leitet Accompong Records, atmet Musik und hätte jetzt gern eine Lasagne. Fotos: Christian Mühl

- Roots, Riddims und Respect: Teil Zwei

Einmal im Jahr wird Montego Bay Schauplatz eines Festivals der Sonderklasse: im Juli kommt hier die internationale Reggae-Community zusammen, um beim Sumfest die - laut Veranstalter - "Greatest Reggae Show on Earth" zu feiern. Das Line-Up spricht für sich: Bounty Killer, Beenie Man, Lady Saw, Mavado, Vybz Kartel und Elephant Man bei der "Dancehall Night", während in den beiden darauffolgenden "International Nights" die Reggae-Klassiker Morgan Heritage und Inner Circle, Tarrus Riley, Etana, Damian "Jr. Gong" Marley und Queen Ifrica Seite an Seite mit Acts aus der R&B und Hiphop-Szene wie Toni Braxton und Nas auf der Bühne stehen. Außerdem soll ein Special zum Gedenken an Michael Jackson geben, bei dem Brüder der ehemaligen Jackson 5 auftreten werden.

Die Ticketpreise sind mit US$120 für alle drei Nächte für ein jamaicanisches Durchschnittseinkommen astronomisch hoch, für Touristen allerdings leistbar.

Beach Party in Montego

Christian Mühl

Donnerstag, 23. Juli, ging es richtig los. Die Dancehall Night beginnt um halb neun abends und dauert bis 6 Uhr früh. Sinnvolle Planung, wenn man bedenkt, dass es nachmittags hier einfach zu heiß ist, um richtig abzufeiern.

Macka Diamond, als erste einer Reihe von Dancehall-Queens, beweist mit ihrem Auftritt, dass Dancehall keine Männerdomäne ist. Schon in den späten 80ern aktiv, als Lady Mackarel sehr aktiv, verschwand sie plötzlich von der Dancehall-Szene, um 2004 mit dem meisterhaft produzierten "Done A Ready" die Charts zu stürmen. Hier singt sie ein Duett mit Unicorn, der auch auf ihrem aktuellen Release "Think pon me" gefeatured wurde.

Christian Mühl

Macka Diamond

Assassin und vor allem Flippa Mafia transportieren das Publikum wieder in höhere Sphären, wobei Flippa Mafia mit einer total durchgeknallten Show daherkommt: rennt schreiend nach vorn, leert ein paar Flaschen Champagner über die Pressefotografen, wirft Geld in die Menge, die lachend und kreischend darum ringt, und tut überhaupt alles, um das Bild des argen Ghetto-Gangstas überspitzt bis in die Ironie zu transportieren.

Christian Mühl

Die Hose kostet 700US$, verraet Flippa Mafia allen die es wissen wollen

Christian Mühl

Nun marschiert eine Dancehall-Queen nach der anderen auf: nach Spice, die schon öfters mal im Medienclinch mit D’Angel liegt und die Fans mit einem energiegeladenen Set überzeugen kann, kommt als Antithese zum "sex sells"-Auftreten vieler Sängerinnen Lady Saw. Diese Grande Dame ist die erste Frau in Jamaica, die es schaffte, sich in der männerdominierten Dancehall-Genre mit kompromisslos offenen, oft sexuell provokanten Texten, durchzusetzen. Die Show hat durchaus Erotik, aber auf eine andere, kritischere, feinere Art: So lässt Lady Saw eine Tänzerin richtig die Hüften kreisen. Tiefer wackeln, schneller, kommandiert sie ins Mikrofon, und man spürt die Ironie, die Lady Saw aufzeigt. Im darauf folgenden Interview rückt Lady Saw ihre Rolle gerade und meint, sie sei nicht mehr so "raunchy" wie früher – sie möchte ein Rollenmodel in Bezug auf ihre positiven Texte sein, möchte aber nicht, dass sich die jungen Mädchen an ihrer Karriere ein Beispiel nehmen. Diese Lady stellt jedenfalls die männliche Dancehall-Welt auf den Kopf.

Christian Mühl

Legendary Lady Saw

Während wir auf das Interview warten, verpasse ich Auftritte von Prodigal Son und Busy Signal - komme allerdings pünktlich zu Bounty Killer vor die Bühne. Mit einer der besten Performances dieser Nacht gibt sich der düstere Alliance-General auf der Bühne überraschend witzig, scherzt liebenswürdig mit dem Fans und erklärt, dass ihm "seine Narben aus den vielen Schlachten einiges gelehrt haben". Gully und Gaza sind derzeit in Jamaica aktuelle Schlagworte: Nicht in Bezug auf den Gaza Streifen gemeint, sondern auf die Kingstoner Viertel Constant Spring und Portmore. "Gully or Gaza?" fragt Bounty Killer: ähnlich wie damals East und West Coast Hiphop dissen und batteln sich hier die Acts.

Christian Mühl

Christian Mühl

Das geht bis in die Früh so ab

Mavado und Vybz Kartel verfolge ich auf den Fernsehschirmen, die im Pressezelt aufgestellt sind. Die beiden, die sich ja konstant bekriegen (zumindest in den Medien), machen gute Shows, die ihren Ruf als bekannteste Dancehall-Protagonisten wieder einmal beweisen.
Um fünf Uhr früh sind die Fans schon eher ausgepowert, als ein gut gelaunter Elephant Man auf die Bühne kommt und einen superschrillen Auftritt hinlegt, der noch einmal die Menge zum Kochen bringt.

Stephan Tumler

Elephant Man

Das kann selbst Beenie Man nicht mehr toppen, der für seine 30-jährige Bühnenpräsenz von Walter Elmore, dem Sumfest-Produktionsdirektor, gekrönt wird - und damit die Dancehall Nacht um 6 Uhr Früh abschließt.