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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

22. 6. 2009 - 17:27

"Die Zeit danach wird anders sein"

Der österreichisch-iranische Filmemacher Arash Riahi im FM4-Interview über die Proteste im Iran und was diese bewirken (können).

Regisseur Arash Riahi

Olaf Benold

Arash Riahi

Arash Riahi ist als 10jähriger im Jahr 1982 mit seinen Eltern aus dem Iran nach Wien geflüchtet. Sein Vater war sowohl Gegner des Schahs, als auch Gegner eines islamsichen Gottesstaates. Riahi ist in Wien aufgewachsen, hat Film- und Geisteswissenschaften studiert und beschäftigt sich als Regisseur stark mit dem Thema Flucht. In seinem Dokumentarfilm "Exile Family Movie" aus dem Jahr 2003 protraitiert er seine weitläufige und in der Welt verstreute Familie. In einer Szene gibt es nach 20 Jahren ein Wiedersehen mit im Iran gebliebenen Familienmitgliedern in Mekka. Dort genauso wie in den Homevideos, die die Verwandten aus Iran schicken, ist eine starke Skepsis gegen die Iranische Führung zu spüren, deren Repressionen man durch Tricks und im Geheimen zu umgehen versuchte. Sein Spielfilmdebut "Ein Augenblick Freiheit" aus dem Jahr 2008 erzählt die Geschichte iranischer Flüchtlinge und ist mit dem Wiener Filmpreis ausgezeichnet worden. Am 22. Juni 2009 war Arash Riahi in Connected zu Gast.

Claudia Unterweger: Arash Riahi, du warst zehn Jahre alt, als deine Eltern mit die aus dem Iran geflohen sind. Der Iran war damals schon drei Jahre lang ein Islamischer Gottesstaat. Du setzt dich auch in deinen Filmen mit dem Thema "Flucht aus dem Iran" auseinander. Welche Erinnerungen hast du eigentlich an die islamische Revolution damals?

Arash Riahi: Ich war damals sieben, acht Jahre alt und ich kann mich erinnern, ähnliche Bilder gesehen zu haben, wie jetzt. Also Menschen laufen auf den Straßen, Schüsse, Feuer... Natürlich kommt jetzt Hoffnung auf, dass sich etwas verändert. Aber derzeit sieht es so aus, dass das Regime mit immer mehr Brutalität vorgeht. Aber es hat schon damals, als der Schah gestürzt wurde, nicht geholfen, den Drang der Menschen nach Freiheit zu unterdrücken.

Man hat den Eindruck, dass jetzt sehr viel Information - zum Teil auch widersprüchliche Information - aus dem Iran kommt, verwackelte Handyfilme und auf Twitter gibt’s sehr viele Informationen, zum Teil eben auch falsche Informationen, die gezielt gestreut werden. Wie verfolgst du die Ereignisse, woher weißt du, was im Iran derzeit tatsächlich passiert?

Ich verfolge sie über Twitter, über YouTube, über spärliche Telefonate, die wir mit den Verwandten im Iran führen. Wobei da jetzt immer mehr die Leitungen gekappt sind. Das sind eigentlich die Hauptquellen, mehr gibt’s ja nicht.

Wie schätzt du denn die aktuellen Proteste im Iran ein. Geht’s da den meisten Menschen darum, dass die Wahlen wiederholt werden, dass dann vielleicht Mousavi als neuer Präsident kommt oder wird hier ein Protest laut, der sich gegen das politische System als solches richtet?

Prinzipiell muss man sagen, dass im Iran keine herkömmlichen demokratischen Wahlen stattgefunden haben. Wenn man in den Medien von den "Wahlen im Iran" spricht, glauben viele Menschen, da gibt’s tatsächlich Wahlen. Wenn aber von 400 bis 500 Leuten nur vier zur Wahl antreten dürfen, dann ist klar, dass diese vier Leute wirklich systemkonform sind. Jetzt ist es passiert, dass sogar einer von diesen sich gegen das System aufbäumt und das Ergebnis nicht anerkennen will. Und das heißt schon mal Einiges. Wenn sogar diese Menschen es nicht aushalten, kann man sich vorstellen, wie die normalen Bürger sich fühlen. Prinzipiell ist es so, dass unter dem Deckmantel von Mousavi, der ja ein Teil des Systems ist, sich die Menschen trauen, oder sich zum ersten Mal wirklich getraut haben, auf die Straße zu gehen und ihren Unmut rauszuschreien. Inzwischen sind die meisten Menschen, die auf den Straßen sind, sicher nicht nur Mousavi-Anhänger, sondern eigentlich Menschen, die gegen das System sind und jetzt sehen sie auch mit welcher Brutalität und wie erbarmungslos das System gegen sie Handlungen ergreift. Und egal, wie das Ganze jetzt laufen wird, ob das jetzt unterdrückt wird oder nicht, die Zeit danach ist anders, als die Zeit davor.

Ali Akbar Hashemi Rafsanjani
war von 1989 bis 1997 Präsident des Iran, 2005 verlor er die Wahl gegen Ahmadinedjad. Er gilt als gemäßigter und pragmatischer im Sinne einer "Economy first"-Policy, als seine politischen Rivalen.

Ich habe jetzt gerade telefoniert und habe gehört, dass die Verletzten aus den Krankenhäusern von den Bassij-Milizen direkt in LKWs geschleppt und irgendwohin gebracht werden, dass die Telefonleitungen gekappt sind, dass gestern über 150 Menschen getötet worden sind. Also das ist die eine Version mit den Protesten umzugehen, sie mit Brutalität und Gewalt zu unterdrücken. Aber auch dann wird die Zeit danach anders sein. Dann wird’s halt bei der nächsten Pseudo-Wahl explodieren. Die andere Option ist, dass Rafsanjani im Hintergrund versucht, den obersten Geistlichen Khameini zu stürzen. Und man wagt, dass alles jetzt anders und offener ist und damit eigentlich das System noch länger am Leben erhalten kann.