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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

4. 5. 2009 - 14:44

Das Zeitparadoxon

Die New Yorker Soulband El Michels Affair covert den Wu-Tang Clan, damit aber eigentlich auch Syl Johnson, James Brown & Co.

"Du bist in letzter Zeit ein richtiger Band-Hörer geworden", meint meine Beste - und sie hat Recht. Obwohl ich noch immer den neuesten Schnipseln diverser Beatfreaks hinterhersurfe, hat sich in den vergangenen Monaten auch erstaunlich viel neue organische Musik in meine Plattenkisten und Playlists verirrt. Die nostalgische New Yorker Schule um Antibalas, die Menahan Street Band oder die El Michels Affair ist da besonders oft anzutreffen, weil sie Elemente von Soul, Funk, Latin, Afrobeat, Reggae und Ethio-Jazz so selbstverständlich verbinden, wie das eigentlich nur mit einem hiphop state of mind und im 21. Jahrhundert möglich ist.

Die El Michels Affair im Studio

El Michels Affair

Die El Michels Affair, das lose Kollektiv um Saxofonist und Organist Leon Michels und Produzent Jeff Silverman, wurde im Anschluss an ihr stimmungsvolles Debütwerk Sounding Out The City erst eingeladen, einige Konzerte mit Wu-Tang Rapper Raekwon zu spielen. Daraus ergab sich in Folge eine grandiose 12", eine Radiosession mit mehreren Wu Mitgliedern und zwei Siebenzollscheiben mit instrumentalen Versionen von Wu-Tang Klassikern wie 'C.R.E.A.M.'. Und weil die sich gut verkauften, gab der New Yorker Underground Rap-Vertrieb Fat Beats bald darauf ein ganzes Album dieser Machart in Auftrag.

'Enter The 37th Chamber' Albumcover

Fat Beats

PS: In eine ähnliche Richtung, wenn auch ohne die HipHop-Zwischenebene, geht eine Isaac Hayes Tribut-EP der Band.

PPS: HipHop-Beats 'nachgespielt', aber ganz anders, gibt es auch auf der EP Suite for Ma Dukes zu hören, wo J Dilla Produktionen von einem klassischen Orchester interpretiert werden.

Letzte Woche ist 'Enter The 37th Chamber' endlich erschienen - und es ist so schön, wie es paradox ist. Schließlich basierten die klassischen RZA-Beats, die hier neu interpretiert werden, weitgehend auf großzügigen Loops, vorzugsweise aus den Memphis Soul Werkstätten Hi-Records und Stax. Eine neue Soulband covert also von einem HipHop-Produzenten zusammengeschipselte Aufnahmen alter Soulbands. Warum das trotzdem funktioniert und sogar noch musikalischen Mehrwert bringt? Weil sich Leon Michels & Co. zwar strukturell an die Loops anlehnen, ihnen aber mit epischen Arrangements und kleinen Melodiefragmenten ihren eigenen Cinematic Soul Sound aufzwingen. Und der passt in die Aufwärmphase einer Clubnacht genauso wie auf die Liege im Freibad, ist also perfekt für die Saison.