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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

3. 4. 2009 - 18:27

Exit closed

Die Proteste zum G20-Gipfel aus der Sicht eines Zuspätgekommenen.

Sagen wir es, wie's ist: Ich hab alles verpasst. Den Protest am Mittwoch, wo ich daheim zu schreiben hatte. Und den am Donnerstag auch: Da wollte ich gleich nach meinem Interview mit Martin Stiksel von Last.FM über diese bewusste Geschichte (dazu hier demnächst mehr) zu den Protesten in die City schauen, aber die Bank Station war zu - wegen der Proteste.

Also war ich schon einmal 49 Minuten zu spät bei Last.FM erschienen, weil ich mangels Umstiegsmöglichkeit mit der Kirche ums Kreuz fahren hatte müssen. London hatte es offenbar wieder einmal auf mich abgesehen.

Martin erzählte mir übrigens, dass die Polizei noch um Mitternacht DemonstrantInnen mit Knüppeln durch die umliegenden Straßen gejagt habe (das Last.FM-Büro liegt in der Nähe des Old Street-Kreisverkehrs, eine gute Meile entfernt von der Bank of England): "Das war ziemlich dark..."

Ich war nun zu spät dran für meinen Abstecher in die City, schließlich musste ich rechtzeitig zurück im West End sein, um Nick Zinner von den Yeah Yeah Yeahs im West End zu interviewen (auch dazu demnächst mehr, unter anderem in meiner Sendung am Montag).

Natürlich war der Termin mit Herrn Zinner dann auch wieder um eine Stunde verspätet, also bin ich am Ende erst in die City gekommen, als die Sonne bereits untergegangen war (was wiederum zur Folge hatte, dass ich das London-Debüt von Soap & Skin in der Bush Hall in Shepherd's Bush versäumte - ihr seht schon, da ergibt sich ein schicksalshaftes Muster).

Direkt vor der Royal Exchange, gegenüber der Bank of England, standen verstreute Häufchen von erschöpften DemonstrantInnen und entnervt dreinschauenden Polizisten in der Gegend herum.

Fast alle Spuren des Protests waren schon weggeputzt.
Fast alle.

Die Bilder der Krawalle, der blutigen Köpfe und der prügelnden Polizisten lassen sich anderswo sehen. Hier ist die Perspektive des Zuspätgekommenen:

Plakat: Exit closed due to demonstrations at street level.

Robert Rotifer

Ein noch geschlossener Ausgang der Bank Station. Die geöffneten Stiegenaufgänge rochen scharf nach Pisse. Die Polizei hatte an beiden Tagen die DemonstrantInnen auf dem Platz eingekesselt und mehrere Stunden lang niemand mehr rein- oder rausgelassen, sie hätten also nirgends sonst austreten können.
Schriftzug der Royal Exchange

Robert Rotifer

Ein Spaßmacher hatte ein Anarchie-A ins O der Royal Exchange gekritzelt.
Verbrannter Mistkübelinhalt und Yes We Can-Plakat

Robert Rotifer

Hinterlassener Obamismus und die Reste eines verbrannten Mistkübels.
Müllsäcke mit den Aufschriften Cans, General Rubbish, Plastic, Bottles

Robert Rotifer

Nicht dass es eine Demonstration der Schmutzfinke gewesen wäre, im Gegenteil: Vorbildliche DemonstrantInnen hinterließen säuberlich nach Müllart getrennte, beschriftete Plastiksäcke mit dem Zusatz "please recycle".
Vermachte Fenster einer Royal Bank of Scotland-Fassade

Robert Rotifer

Die Fenster der Tags zuvor geplünderten Royal Bank of Scotland-Filiale waren bereits vermacht.
Versammlung vor Mahnmal an der Royal Exchange

Robert Rotifer

In der Nähe war am Tag zuvor der 47-jährige, auf dem Heimweg von der Arbeit in die Demo geratene Trafikant Ian Tomlinson kollabiert und gestorben. DemonstrantInnen haben den Verschlag vor einer Statue zu einem improvisierten Mahnmal umfunktioniert.
Trauerwünsche für verstorbenen Demonstranten

Robert Rotifer

Die Boulevardzeitungen haben Flaschen werfenden DemonstrantInnen die Schuld an Tomlinsons Tod zugeschrieben, manche Grußbotschaften auf dem Mahnmal stilisieren ihn dagegen als Märtyrer des Protests. Tragischerweise war er vermutlich weder das eine noch das andere, sondern nur zufällig da.