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Nina Hochrainer

Sweet Indie Music, Kleinode globaler Alltagskultur, nachhaltiges Existieren. And New York.

2. 4. 2009 - 11:59

Citysound statt Countryweisen

Nina Perssons A Camp tauschen für ihre zweite Platte den metaphorischen Hühnerstall mit einer neonbeleuchteten Seitenstraße Manhattans.

Nina Persson und Nathan Larson erscheinen gut gelaunt, leicht durchfroren und mit verkehrsbedingter halbstündiger Verspätung zum Interviewtermin im Herzen Manhattans. Bevor das Gespräch offiziell beginnen kann, bestellt Nina als erste Amtshandlung einen Cappuccino mit den Worten "coffee is very important". Ich erinnere mich an ein Interview mit ihr in einem Hotel in Wien vor vier Jahren, in dem sie – damals weniger gut gelaunt und etwas nervös – dasselbe erklärte und drei Tassen Cappuccino zurückschickte, bis dann die vierte ihrem Geschmack entsprach.

Heute hingegen ist alles in bester Ordnung – nicht nur mit dem Kaffee. Die Entspanntheit in den Gesichtern der beiden hat wohl viel mit der vertrauten Umgebung zu tun: New York ist seit mehreren Jahren Wahlheimatstadt von Nina, Nathan und – seit einiger Zeit auch – A Camps drittem Mitglied, dem schwedischen Musiker Niclas Frisk.

Zwei Bartgesichter, ein Sternenantlitz

Edel

Larson, Persson, Frisk: zwei Bartgesichter und ein Sternenantlitz

A chunk of Manhattan

Die pausierende Cardigans-Frontfrau und ihr – in beliebiger Reihenfolge – Bandkollege, Ehemann und Ex-Shudder to Think-Mitglied Nathan ergehen sich in einer Lobrede über die unendlichen Gesichter und Inspirationsquellen der Stadt – und über ihr Eigenheim in Harlem:

"For the last one and a half years we've been houseowners and that's a whole new thing. It really makes you look at the place in an additional level. Isn't it crazy that we own a part of Manhattan? Especially because a lot of cities keep developing in all directions, but Manhattan is an island, there is an end to it, and to have a chunk of it really blows my mind", schwärmt Nina.

Und hier liegt auch der Anknüpfungspunkt zur neuen Platte: Denn im Gegensatz zum in bester Country- und Americana-Tradition gehaltenen Debüt anno 2001 haben A Camp für "Colonia" den metaphorischen Hühnerstall mit einer neonbeleuchteten Seitenstraße getauscht. Das Diktum "Citysound statt Countryweisen" war eine bewusste Vorabentscheidung, vor allem, um nicht Gefahr zu laufen, versehentlich einen nur lauwarmen countryesken Nachfolger zu kreieren. Und welches urbane Soundsetting bietet sich da mehr an als das der Überstadt New York? Eben.

K wie Kolonialisierung

Heads will roll

Edel

Heads will roll

Neben dem urbanen Leitmotiv findet sich ein zweites auf "Colonia", nämlich das historische. A Camp haben für ihre Texte in den Geschichtsbüchern nachgeschlagen und sich der einen oder anderen Referenz bedient, ganz dem Albumtitel gemäß: "Colonialism exists throughout history and it continues to exist. So it's modern, it's contemporary, it's science fiction, because humans are gonna keep going into other people's land", erläutert Nathan.

Doch man muss schon genau hinhören, um die geschichtlichen Anspielungen herauszulesen, denn A Camps Assoziationen quer durch die Vergangenheit sind bewusst lose und vage angelegt. So erzählt der Opener "The Crowning" vordergründig von einer rauschenden Ballnacht im Jahre 1699 – aber eben nicht nur:

"I see a lot of different things in there. I see the French Revolution, of course that happens 80 years later. I also see the fall of Berlin and Hitler and Eva Braun in the bunker with Eva listening to records and dancing around and everyone above dying and the city falling apart and she is completely oblivious to the destruction", so Nathan.

Die A Camp'sche Text/Musik-Schere

Best of The Cardigans
Schubladenstöbern mit Nina Persson.

A Camp live
im Wiener Flex am 19.4.

Nicht alles auf "Colonia" ist neu und anders. A Camp haben ihre Gegensatzphilosophie beibehalten: Die dunklen, teils zynischen Texte treffen auf Nina Perssons engelhaften Gesang und eine heiter gefärbte, ausladende Orchestrierung. Ihren unüberhörbaren Soundtrackcharakter verdankt die Platte Nathan Larson, der sich nämlich in seiner übrigen Zeit als renommierter Filmkomponist verdingt. Wie das A Camp'sche Werk tatsächlich klingt, gibt's heute, Donnerstag, ab 19 Uhr in der FM4 Homebase zu hören.