Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ein eher altbackenes Vergnügen"

Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

8. 3. 2009 - 05:23

Ein eher altbackenes Vergnügen

Was passiert, wenn Gewerkschaften und Parteien die Parties zum Frauentag ausrichten.

Heute ist wieder mal der 8.März - internationaler Frauentag. Ein Tag, der hämisch belächelt wird und als überflüssig gilt; und das, obwohl Frauen in Deutschland immer noch um ca. ein Viertel weniger als ihre Kollegen verdienen, in politischen Entscheidungsgremien mit 7%, in den Führungsetagen der Wirtschaft mit 3% vertreten sind.

clara zetkin

clara zetkin

Sie hat's erfunden: Auf der 2. Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen stimmten im Jahre 1910 Frauen aus 17 Nationen für den Vorschlag Clara Zetkins, fortan den "Internationalen Frauentag" als Kampftag für das Wahl- und Stimmrecht für Frauen, für bessere Arbeitsbedingungen und Mindestlöhne zu begehen.

Aber wenn Gewerkschaften und Parteien die Parties zum Frauentag ausrichten, verspricht das ein eher altbackenes Vergnügen zu werden. Letztes Jahr am 8.März hatten die ver.di - Gewerkschaftsfrauen die Gruppe Britta für ein Konzert engagiert, nach der ersten Freude über den skurillen Anlass aber wurden grausige Details bekannt: Nicht nur dass der Auftritt um 10 Uhr (morgens!) stattfinden sollte, der Soundcheck war um 8 Uhr angesetzt!

Nun müssen ja selbst prekär lebende Freigeister ab und an mal früh aufstehen, aber 8 Uhr Soundcheck - das verstößt eigentlich gegen die Gesetze der Menschlichkeit. "Wie sollen wir das schaffen?", fragte sich die Gruppe immer wieder. Und was soll eine Gewerkschaftsfrau mit 2 Stunden Britta-Lieder in der Früh anfangen?

Aber in diesen schwierigen Zeiten müssen MusikerInnen halt extrem flexibel sein, und so überprüften wir unser Programm auf Gewerkschaftstauglichkeit. "'Liebe wird oft überbewertet' passt ganz gut", meinte der Schlagzeuger, Tariflöhne sind wichtiger! „In 'DJ Holzbank' kommt immerhin das Wort 'Klassenunterschiede' vor", fügte ich hinzu. Kurz nach acht trafen wir im ver.di- Gebäude ein.

Einige Gewerkschafterinnen, allesamt etwa 55 plus, stellten in dem großen nüchternen Raum Primeltöpfe auf die Resopaltische. Lila Luftballons wurden aufgeblasen, bunte Bastelkisten herum getragen, Stellwände mit Plakaten bepinnt. Während des Soundchecks leerte sich der Saal, nur eine tapfere Bayerin kam entsetzt zur Bühne und flehte uns an, aufzuhören.

"ver.di" - haus

ver.di

Hat es nicht in die Top Ten der coolsten Auftrittsorte geschafft: Das ver.di - Gebäude in Berlin

Während des leisesten Konzerts der Welt blickte man in viele unverständige Gesichter, aber es gab auch Applaus und rockistische HUH!-Rufe. Ab und zu stand eine grauhaarige Seniorin auf und hielt sich demonstrativ die Ohren zu. Als endlich der letzte Ton verklang, hatte man den Auftritt bereits unter der Kategorie "denkwürdig, aber nie wieder" abgelegt und beschlossen, die popkulturelle Modernisierung der Gewerkschaftsbewegung künftig anderen zu überlassen.