Erstellt am: 5. 2. 2009 - 18:21 Uhr
Die geheime Musikmaschine
Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich Secret Machines zum ersten Mal gehört habe. Es war im Juni 2004 und ich besuchte meinen Kollegen Christian Lehner in New York. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen damals war, mit den Skates von der Columbia University entlang des Hudson River bis zum untersten Spitz Manhattans, dem Battery Park, zu flitzen.
Als Soundtrack dienten mir dabei drei famose Debüts. Neben Ambulance Ltd. und "Hot Fuzz" von den Killers drehte sich "Now Here Is Nowhere" oft im CD-Player. Ich hatte die Platte in irgendeinem riesigen Multimedia-Store erstanden, wobei es die riesigen Plakate des Covers waren, die meine Aufmerksamkeit erregt hatten.
White Was The New Loud
Das komplette Backup der Band war darauf zu sehen, alles mit weißem und silbernen Lack überzogen. Es vermittelte mir weniger das Gefühl von Sterilität, denn vielmehr Erhabenheit.

Secret Machines
Dementsprechend beeindruckt war ich von der Art und Weise, wie Sänger und Bassist Brandon und sein Bruder und Gitarrist Benjamin Curtis, sowie Schlagzeuger Josh Garza sich mit dem Popformat spielten und es gleich zu Beginn durchbrachen. Denn der Gesang des Eröffnungssongs "First Wave Intact" lässt da schon einmal knapp zwei Minuten auf sich warten, während ein massiv druckvolles Schlagzeug und simple, nicht minder wuchtige Gitarren- und Basslinien dahingrooven. Und das ganze darf bei Secret Machines dann gleich mal über neun Minuten dauern.
Auch schon 2004 war herauszuhören, aus welchem musikalischen Sozialisationseck das in Dallas gegründete Trio kommt. Kraut- und Postrockeinflüsse treiben unweigerlich bei den loopartigen, ausufernden Wall Of Sound-Hymnen an die Oberfläche. Es rumpelt und kracht an allen Ecken und Enden, wobei sich mit "Pharaoh's Daughter" auch ein ruhigeres Stück auf das Debüt fand. Unterm Strich ein großartiges Debüt, das nicht nur gute Kritiken einheimste, sondern sich auch einen Platz in Dvid Bowies Plattenregal sichern konnte.
Die Tränen der Wandlung
Das zweite Werk "Ten Silver Drops" kam weder in den USA noch in Europa richtig aus den Startlöchern. Vielleicht, weil unterschwellig schon eine gewisse Orientierungslosigkeit zu spüren war. Nicht verwunderlich, dass bald danach Gitarrist Benjamin Curtis ausstieg, um sich voll und ganz seinem 2007 gegründeten Projekt School Of Seven Bells zu widmen.

secret Machines
Bruder Brandon sieht diesen Ausstieg heute gelassen, zumindest, wenn man ihn in Interviews darauf anspricht. Benjamin habe seine eigenen Ideen entwickeln und ausleben wollen. Dafür habe er Platz gebraucht, was jedoch irgendwie impliziert, dass das musikalische Spektrum des Trios recht eng gewesen sein muss.
Schlagzeuger Josh Garza spricht sogar von Gleichgültigkeit, als es darum ging, dass Secret Machines plötzlich ohne Gitarristen dastehen würden. Denn er hatte schon einen anderen, alten Kumpel im Hinterkopf. Gitarrist Phil Karnats. Er hat Anfang der Neunziger in Dallas bei einigen Bands mitgespielt, vor allem die von der psychedelischen Phase der Beatles beeinflussten Tripping Daisy hatten es ihm angetan. Schon allein daher ist verständlich, dass sich Phil perfekt mit dem stark von den Siebzigern geprägten Klangbild identifizieren und sich gut integrieren konnte.

Secret Machines
Von großen Helden und Neonlichtschnüren
Neu erstarkt haben sich die Secret Machines nach eigenen Angaben bei ihrem neuen Album vorab eine soundästhetische Grundregel zurecht gelegt. Alles sollte so klingen, als ob die drei mit ihren Instrumenten in einem Raum spielen und man lediglich ein Mikrophon in die Mitte zu stellen und auf einer alten Bandmaschine auf Aufnahme zu drücken braucht. Schon das mit dumpfer Orgel und böllerndem Schlagzeug beginnende "Atomic Heels" wird dem Anspruch gerecht, wobei das folgende "Last Believer, Drop Dead" eindeutig hörbar macht, dass die musikalische Basis trotz bandinternem Wechsel gleich geblieben ist.
Was sofort auffällt, ist, dass das dritte selbstbetitelte Werk sich nicht nur ins Jahr 2004 zurückwendet, sondern noch viel weiter in eine Zeit, als Pink Floyd sich in ihren Soundexperimenten zu verlieren drohten und dabei eine klangliche Stimmung kreierten, die sich auch in Ansätzen auf dieser Platte wiederfinden. Vor allem "The Walls Are Starting To Crack" mit seinem überproduziert wirkenden Lärmteil und dem zusätzlich alles überlagernden, Gospel-ähnlichen Frauenchor könnte fast aus der Feder von Roger Waters stammen. Auch klassische Siebzigerrockbands wie Led Zeppelin oder die Ziggy Stardust Phase Bowies werden von dem Trio immer wieder Gerne als Referenz genannt.

Secret Machines
So fällt auch ihr visuelles Konzept, das sich auf der Bühne wie am Cover wieder findet, psychedelisch aus. Durch viel Trockeneisnebel stechen Leuchtschnüre in Regenbogenfarben, die geometrisch geschickt angeordnet eine sich biegende und in sich verdrehte Fläche ergeben. Darunter herrschen wuchtige Schlagzeugrhythmen, angezerrte Orgelmelodien, tiefgrabende Basstöne, Space Rock-Gitarrenlinien und freier Raum für sich dahin wälzende Live-Improvisation.
Der Kontext macht die Musik
Für Neueinsteiger ist das auf eigenem Label veröffentlichte Album ein spannendes und interessantes Stück psychedelic rock. Gemessen an den Anfängen des Trios ist das dritte Werk zwar eine respektable "Rückentwicklung", jedoch fehlt den Songs die Dringlichkeit des Erstlings. Denn "Now Here Is Nowhere" war kein Hintergrundalbum, sondern ein recht zwingendes Musikkunstwerk.
Was Secret Machines auf alle Fälle nicht eingebüßt haben, ist ihre Kompromisslosigkeit, die entweder auf Ablehnung stößt oder aber die ersehnte Frischzellenkur des angeschliffenen Gehörgangs hervorruft.