Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "So f***ing special"

Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

5. 2. 2009 - 02:43

So f***ing special

Erpresst die US-Regierung die Briten mit der Verweigerung von Geheimdienstinformationen? Oder haben sie am Ende selbst was zu verbergen, wenn es um die Folter eines Guantanamo-Häftlings geht?

David Miliband und Hilary Clinton

BBC TV

"Genau das..."

"Blue blue electric blue..." waren die Worte, die dem Gelegenheits-Gern-Bowie-Hörer angesichts des hypnotischen Yves Klein-inspirierten Hosenanzugs von Hillary Clinton zwangsläufig durch den Kopf gingen. Er sah gerade in Sound and Vision die Fernsehbilder ihrer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Außenministerchen David Miliband, wo sie das Weiterbestehen des vielzitierten "special relationship" zwischen den USA und UK beschwor.

David Miliband und Hilary Clinton

BBC TV

"...wollt ich auch..."

Die machtpolitische Asymmetrie dieser besonderen Beziehung zwingt britischen Regierungen ja stets einen heiklen Balanceakt auf. Wenn man so aussehen will, als hätte man was mitzureden, ist es am Besten, im Vorhinein zu sagen, was die Amerikaner gerne hören würden. Als mitterweile historisches Beispiel dafür dient die Rolle Tony Blairs, des persönlichen Freunds sowohl von Clinton als auch Bush, der seine Solidarität mit den USA pauschal mit den gemeinsamen "Werten" zu rechtfertigen pflegte - vom Krieg gegen den Terror über Abu Ghraib bis nach Guantanamo.

David Miliband und Hilary Clinton

BBC TV

"...gerade sagen"

Ebenda sitzt bzw. kniet oder kauert seit nunmehr vier Jahren Binyam Mohamed, nachdem er zwischen 2002 und 2004 unter der berüchtigten Praxis der sogenannten "extraordinary rendition" aus Pakistan nach Marokko, dann nach Afghanistan verschleppt und dabei - nach eigenen Angaben - wiederholt geschlagen, gefesselt, aufgehängt und an den Genitalien geschnitten wurde.

Die gegen den heute 30-jährigen, seit 1994 in Großbritannien ansässigen Äthiopier gerichteten Anschuldigungen, an der Planung von Al Qaida-Attentaten beteiligt gewesen zu sein, wurden mittlerweile fallen gelassen.

Buchumschlag Torture Team

Penguin

Torture Team von Philippe Sands ist zwar schon letzten Mai erschienen, und die Cheney-Bush-Rumsfeld-Achse ist nicht mehr an der Macht, aber die Geschichte des moralischen Bankrotts einer Administration, von der Vorarbeit von ganz oben bis zur Ausbildung junger Folter-Lehrlinge will immer noch dringend aufgearbeitet werden.

Zwei Richter des britischen High Court haben nun entschieden, dass der General-Staatsanwalt den Folter-Vorwürfen Mohameds nachzugehen hat.
Dabei stellen sie fest, dass das Außenministerium sie davon abgehalten hätte, die vollständigen Dokumente zu Mohameds Fall einzubringen.

Man habe sie gewarnt, dass eine Veröffentlichung dieser Unterlagen eine bedeutende Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit bedeuten würde.

Im Falle einer Enthüllung der strittigen Dokumente drohten die USA nämlich an, die Weitergabe zur Verteidigung gegen terroristische Bedrohungen wesentlicher Geheimdienstinformationen an die Briten zu stoppen.

Schon sehr special, dieses Relationship.

Am Mittwochabend bestritt Außenminister Miliband in Interview um Interview wortreich das Bestehen einer derartigen Drohung seitens der USA, wiewohl es aber richtig sei, nicht in britischen Gerichten amerikanische Geheimnisse offenzulegen.

Lord Thomas und Lord Lloyd Jones, die aufmüpfigen Richter des High Court, sehen das anders: Sie fordern eine Veröffentlichung aller Einzelheiten des Falls im Sinne des britischen Rechts, der freien Meinungsäußerung und der demokratischen Rechenschaftspflicht.

Haben wir es hier also am Ende wieder mit vorauseilendem britischem Gehorsam den USA gegenüber zu tun ("pre-emptive genuflection", wie es Milibands Interviewer Jeremy Paxman formulierte)? Oder war die vom Außenministerium an die Richter weitergegebene, vorgebliche amerikanische Erpressung am Ende gar nur eine Ausrede, weil die britische Regierung selbst was zu verbergen hat? Schließlich soll bei Mohameds Verhören in Marokko der britische Geheimdienst MI5 den Folterknechten die Fragen geliefert haben.

So oder so wird all das wohl irgendwann irgendwie rauskommen, schließlich wird Binyam Mohameds Fall kaum der letzte seiner Art sein.

Barack Obama und Hillary Clinton können in der Zwischenzeit mit Taten beweisen, dass sie es tatsächlich ernst meinen mit dem neuen Gesicht der amerikanischen Menschenrechtspolitik, selbst wenn sie dabei die britische Regierung, die auch mit ihren Vorgängern schon so gut befreundet war, ein wenig blamieren sollten.

Andernfalls blamieren sie sich nämlich selbst.