Erstellt am: 4. 2. 2009 - 16:41 Uhr
Journal '09: 4.2.
Gestern, als ich hier anlässlich des Starts der Ski-WM (im Übrigen: noch ein ganz unglaublich wildes Rennen, der heutige Herren SuperG- wieder auf dieser elend bösen Piste, gnadenlos gesetzt, spannender Verlauf, guter Sieger!) das aktuell in kritischen Kreisen angesagte minderwertigkeitsbeladene Verhalten dem Sport gegenüber (dass der alpine Skisport nämlich eine Art lokales Zwergenwerfen sei, das die restliche Welt nicht kümmert und jeder, der sich daran ergötzt, nur ein patriotischer Blödian wäre) thematisiert hatte, kam ein Posting, das bei mir einen sofortigen Backflash auslöste.
Ich war Ende des Vorjahres Podiums-Gast bei einer Veranstaltung, in der ein aus Sportfunktionären bestehendes Publikum seine Wünsche an diverse Medien artikulierte. Und es passierte dort das exakt selbe, was abläuft, wenn es um andere Interessen anderer Interessensvertreter geht, sagen wir z.B. um das Lobbying für österreichische Musik.
Sport wie Pop
Das läuft immer zweistufig ab.
Zuerst geht es darum, zu argumentieren, warum der vom eigenen Verein durchgeführte Randsport (warum, um beim Parallel-Beispiel zu bleiben, die eigene Musik, das eigene Label) soviel mehr Beachtung verdient als das, was eh überall läuft und alle - aus völlig absurden Gründen - so hoch einschätzen. Denn Fußball oder Ski (bzw. der Mainstream-Pop) ist ja nicht nur ein Massen-Ding zum Naserümpfen, sondern eben der Feind, der die Sendezeit/die Zeilenzahlen für sich beansprucht.
Das ist (bis dahin) inhaltlich legitim und - teilweise - sogar notwendig. Jemand, der nicht für sein Ding kämpft, ist nicht glaubwürdig.
Dann geht es darum, zu argumentieren, wie es wäre, wenn sich die Medien, die hier einen unfassbar verzerrenden Einfluss nehmen, endlich einmal der Unterprivilegierten (der Randsport-Arten, der neuen österreichischen Popmusik etc.) annehmen würden: Es wär nämlich alles ganz anders, die Menschen (vor allem die Jungen, die ja so leicht zu beeindrucken/beeinflussen/zu prägen sind) würden ein anderes Leben mit anderen Interessen führen.
Das ist naiv - weil Medien ja kein inexistentes Konsum-Interesse anregen (zumindest nicht kurzfristig), sondern es ausschließlich bedienen (dazu später mehr) - aber deshalb nicht zu verurteilen: naiv sein, auf eine bessere Welt hoffen, das ist ebenso legitim wie Schritt 1.
...und der finale Fehlschluss
Fatal ist die Kombination der beiden Positionen und die Selbstversicherung, dass es ausschließlich diese hier aufgebauten Hürden sind, die als Verunmöglicher auftreten - was automatisch zum automatischen Fehlschluss führt, der die beiden Stufen der Medien-Projektion endgültig zur unentrinnbaren Falle macht.
Man sourct nämlich die gesamte Verantwortung aus. Indem man sich in die "Wenn die Medien uns unterstützen täten waraten wir total erfolgreich"-Falle begibt, entledigt man sich der Anstrengung, sich (oder sein Produkt oder sein Faible oder seine Kunst) tatsächlich unverzichtbar zu machen.
Ein Beispiel am eigenen Leib
Wenn der große clevere Bruder Ö3 und all die ihn (schwächlich, weil falsch) imitierenden Pop-Radios eine unfassbare Mehrheit der Radiohörer hinter sich bringen, während FM4 es auf bloße 4% schafft, dann ist der Verweis auf die höhere künstlerische Qualität der Musik, den vermehrten Anteil von womöglich sperrigen Wortbeiträgen oder auf die manche abschreckende Mehrsprachigkeit natürlich legitim. Auch der Verweis auf die öffentliche Omnipräsenz von Mainstream-Pop, den Overkill des Konsumismus wäre noch richtig. Soweit zur Analogie bei Schritt 1.
Natürlich wäre es (um zu Schritt 2 zu kommen) auch toll, sich vorzustellen (oder: es zu fordern), wie eine Welt aussehen würde, in der Radios eine Qualitäts-Vorgabe zu erfüllen hätten, also allesamt und jeder für sich Spezielles zu leisten hätten.
Nun wird aber hier niemand auf die Idee kommen, dass all diese Bemühungen auch nur einen Deut am Medienverhalten ändern würden. Selbstverständlich würden all die zu Qualitäts-Umstellungen gezwungenen Programme massive Einbußen erleiden - und all das tolle Zeug würde kaum gehört im Äther oder im Phantom-Stream verhallen.
Weil die absolute und absolut hohe Anzahl der Menschen (nicht nur in diesem Land, aber speziell in diesem Land) eben an mäßig kritischem Kultur-Konsum, an leichter Unterhaltung, an angenehm portionierter Information und an das Leben massiv erleichterndem Service interessiert sind - und nur ein geringer Prozentsatz daran, sich mit Randthemen auseinanderzusetzen; völlig egal ob das jetzt ein wenig bekannter Sport, neue heimische Musik oder jugendkulturell relevante Inhalte sind.
Die Medien schaffen keine Bedürfnisse - sie erfüllen sie
Geschaffen werden die anderswo, in Sozialisation und Alltag, in tradierten und sublimen Botschaften, in konzertierten Aktionen zwischen Wirtschaft, gesellschaftpolitischem Status und elementaren Bedürfnissen.
Dabei sind die Medien wichtige Rollenerfüller, und lassen sich oft genug zu widerspruchslosen Helferleins eines düsentriebisierten Antriebs machen, keine Frage.
Es passiert aber nichts, nur weil ein Medium etwas, was nicht auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt ist, pusht. Nicht einmal die Kronenzeitung, das mächtigste Campaignisierungs-Instrument der Republik, kann einen Trend oder eine Tendenz, die nicht schon angelegt ist, lostreten. Die Xenophobie steckt tief in den Österreichern drinnen, sie kann maximal verstärkt, rausgelöst, gefördert und abgeholt werden. Tennis kann dann groß werden, wenn es einen Star gibt, der in vielen Österreichern einen zentralen Nerv anspricht. Wenn er weg ist, ist auch der Sport wieder ein Randereignis - weil der eben keine Homebase hat wie das Skifahren.
Interesse an Pop aus Österreich kann man nicht via Medien verordnen - wenn eine Christina Stürmer in ihrer offen zur Schau gestellten mit lässiger Wurschtigkeit gepaarten Interessenlosigkeit ein Publikum anspricht, dann hat sie einen bereits angelegten Punkt getroffen.
Nachhaltigkeit
Von dieser Regel gibt es nur eine Ausnahme: wenn man nämlich versucht, den vorher erwähnten gesellschaftlichen Status zu beeinflussen. Der ist nämlich die einzige Variable, der ist entwickelbar. Sie ist quasi der zivilsatorische Teil einer katastrophal präjudizierten Erbanlage des in seiner Grund-Konstellation verheerend eng programmierten Homo sapiens.
Mit einem Medium da, in den gesellschaftlichen Diskurs reinzukommen, ist - weil der nicht die Teilnahme aller, sondern die der Beeinflusser benötigt - möglich. In anderen erfahreneren Demokratien gilt derlei als Grundaufgabe von Medien - hierzulande wird man dafür eher wie ein Freak beäugt. Wie auch immer: das Konzept eines nachhaltig wirkenden Mediums, z.B. das eines Community-Mediums, ist eine Methode, im Diskurs mitzumischen bzw. ein gesellschaftliches Podium dafür zu schaffen.
Das Konzept, eine inhaltlich interessante und tragfähige Basis für österreichische Musik zu schaffen anstatt einer bloßen Zweck-Koalition von Major-Jammerern und Indie-Fightern (die in Wahrheit nichts gemeinsam haben), kann nachhaltig wirken.
Und die Schaffung von Communities rund um Randsportarten wird in einigen Bereichen bereits wirkungsvoll vorgeführt. Wenn es sich dann mit mainstreamtauglichen Highlights wie der köstlichen Superbowl-Übertragung von Ryan/Eschlböck trifft und plötzlich mehrheitstaugliches Gesprächsthema wird - umso besser.
Die bloße Projizierung von Wünschen auf einen Informations-Träger und das danach sofort einsetzende pure Hoffen auf Veränderung jedoch sind und bleiben zu wenig. Schlimmer noch: sie belegen das allgemeine Unverständnis der Funktion der Medien und sie zementieren die aktuell grassierende Unkultur des Outsourcing von Inhalten, also der Auslagerung des eigenen Denkens und der eigenen Anstrengung. Im allerschlimmsten Fall stellen sich Akteure, die es besser wissen, künstlich blöd - um sich dann weiter ihrem liebsten Hobby, dem von Ex-Kanzler zitierten Suderantentum, hingeben zu können.
Wer anderer Meinung ist, der soll sie äußern,
denn vielleicht ist das eine oder andere Detail nicht durchdacht genug - schließlich ist das hier alles nur das Resultat einer Assoziationsschwemme anläßlich eines Postings von vor jetzt genau vor 22 Stunden und 57 Minuten. Also ein Beitrag zum Thema assoziatives Denken, zum Thema der Verknüpfung zwischen sonst nicht zusammengedachten Genres und dem Vergleich als Instrument der Neupositionierung von Ansichten. Und in sich somit ein Teil dessen, was man hierzulande tun kann, um die wenigen Variablen in Bewegung zu halten.